Black Dagger 20 - Schattentraum
Nichts, was sie sehen konnte.
»G ut«, murmelte Zypher, als Throe begann, seine Waffen zu überprüfen.
Ein paar Minuten später hastete Throe die Kellertreppe hinauf und trat schwungvoll durch die Küchentür ins Freie …
Zischend riss er die Arme vors Gesicht und hechtete zurück ins dunkle Haus. Seine Augen tränten. Fluchend ging er zur Spüle und schaufelte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Es schien eine Ewigkeit, bis das Display seines Handys eine sichere Uhrzeit anzeigte, und dieses Mal öffnete er die Tür mit weitaus weniger Elan.
Die Nacht, welch eine Erlösung.
Throe sprang aus dem Haus und landete auf der guten Erde, wo sich seine Lunge mit kalter, feuchter Herbstluft füllte. Dann schloss er seine noch immer pochenden Augen, konzentrierte sich und dematerialisierte sich in Richtung Nordosten, reiste in einer Wolke aus Molekülen über das Land, bis er zu einer Wiese mit Weidegras kam, in deren Mitte ein großer, herbstlich gefärbter Ahorn aufragte.
Er stand vor dem mächtigen Stamm, unter dem rot-goldenen Blätterdach, und ergründete die Umgebung mit seinen messerscharfen Sinnen. Dieser bukolische Flecken lag weitab von den Schlachtfeldern der Stadt und fern irgendwelcher Bruderschaftsstützpunkte oder Außenposten der Gesellschaft der Lesser – zumindest soweit er das beurteilen konnte.
Doch um sicherzugehen, wartete er ab, reglos wie der große Baum hinter ihm, aber lange nicht so friedvoll – er war bereit, sich allem und jedem zu stellen.
Aber es rührte sich nichts.
Nach etwa dreißig Minuten setzte er sich im Schneidersitz ins Gras, führte die Hände zusammen und kam zur Ruhe.
Er war sich nur allzu bewusst, welche Risiken der von ihm eingeschlagene Weg barg. Doch in manchen Schlachten musste man sich seine eigenen Waffen schmieden, auch auf die Gefahr hin, dass sie einem um die Ohren flogen: Sein Vorhaben war äußerst gewagt, aber wenn man sich bei der Bruderschaft auf eines verlassen konnte, dann war es eine altmodische Beschützerhaltung gegenüber ihren Frauen.
Das hatte er am eigenen Leib erfahren.
Also baute er auf die Hoffnung, dass die Auserwählte – so es ihm gelang, sie zu kontaktieren – nicht wusste, mit wem sie es da zu tun hatte.
Außerdem verdrängte er gewaltsam jeglichen Gedanken daran, in was für eine Position er sie durch sein Handeln brachte.
Bevor er die Augen schloss, blickte er noch einmal um sich. Am Rande der Wiese, dort wo der Wald begann, sah er ein paar Rehe. Ihre zierlichen Hufe streiften über gefallenes Laub, und ihre Köpfe gingen auf und ab, als sie vorbeispazierten. Rechts von ihm ertönte der Ruf einer Eule und wurde von einem leichten, kalten Wind zu seinen gespitzten Ohren getragen. Ein Stück vor ihm bewegten sich Scheinwerfer auf einer Straße, die er nicht sehen konnte, wahrscheinlich ein Traktor.
Keine Lesser.
Keine Brüder.
Niemand außer ihm.
Er senkte die Lider, rief sich die Auserwählte ins Gedächtnis und dachte an diesen Moment, als ihr Blut in ihn geströmt war, ihn belebt hatte und ihn den Fängen des Todes entrissen hatte. Er sah sie mit absoluter Klarheit vor sich und konzentrierte sich darauf, wie sie gerochen und geschmeckt hatte, auf die Essenz ihres Wesens.
Und dann betete er, wie er noch nie zuvor gebetet hatte, nicht einmal zu Zeiten seines zivilisierten Lebens. Er betete so angespannt, dass sich seine Brauen zusammenzogen und sein Herz klopfte und er kaum noch atmen konnte. Er betete mit einer Inbrunst, dass sich ein Teil von ihm fragte, ob es ihm eigentlich um die Rettung von Xcor ging … oder einfach nur darum, die Auserwählte noch einmal zu sehen.
Er betete, bis ihm die Worte ausgingen und ihm nur noch ein Gefühl in der Brust blieb, ein klagendes Verlangen, von dem hoffentlich so viel Signalkraft ausging, dass sie darauf antwortete, wenn es sie denn erreichte.
Throe fuhr fort, so lange er konnte, bis er taub und ausgekühlt war und so erschöpft, dass sein Kopf nicht mehr aus Ehrerbietung nach unten hing, sondern vor Müdigkeit.
Er betete weiter, bis die andauernde Stille um ihn herum seine Bemühungen übertönte … und ihm sagte, dass er sein Versagen akzeptieren musste.
Als er die Augen schließlich wieder öffnete, sah er, dass sich das Mondlicht unter das Blätterdach gestohlen hatte, unter dem er saß. Der Bruder der Sonne war zu seiner Nachtschicht erschienen, um über die Erde zu wachen …
Mit einem lauten Schrei sprang er auf die Füße.
Es war nicht der Mond, der dieses Licht
Weitere Kostenlose Bücher