Black Dagger 20 - Schattentraum
Versorgung, wie man sie bei der Bruderschaft bekam, oder das Blut einer Vampirin – vorzugsweise beides.
Auf Ersteres bestand keine Aussicht, und eine Quelle für Blut zu finden hatte sich im Laufe der letzten Monate als äußerst schwierig erwiesen. Langsam wuchs die Vampirbevölkerung in Caldwell wieder an, aber seit den Plünderungen waren die Preise für Frauen deutlich gestiegen. Throe hatte noch immer keine gefunden, die sich bereit erklärt hätte, ihnen zu dienen, obwohl er sehr gut zahlen konnte.
Doch wenn man Xcors Zustand bedachte, konnte ihn vielleicht nicht einmal das mehr retten. Was sie brauchten, war ein Wunder …
Ungefragt kam ihm das Bild dieser unbeschreiblich schönen Auserwählten in den Sinn, von der er sich bei der Bruderschaft genährt hatte. Ihr Blut wäre jetzt die Rettung für Xcor. Obwohl es natürlich aus vielen Gründen nicht zu bekommen war. Denn wie sollte er sie alleine schon kontaktieren? Und selbst wenn er eine Verbindung herstellen konnte, würde sie zweifelsohne wissen, dass er der Feind war …
Oder vielleicht nicht? Sie hatte ihn einen Soldaten von Wert genannt – womöglich hatte ihr die Bruderschaft seine Identität verschwiegen, um ihr empfindsames Gemüt nicht aufzuwühlen …
Kein Laut mehr. Nichts.
»X cor?«, rief Throe und richtete sich ruckartig auf. »X cor …«
In diesem Moment setzte noch einmal heftiges Husten ein, dann ging das schwerfällige Röcheln weiter.
Gütige Jungfrau der Schrift, er kapierte nicht, wie die anderen schlafen konnten. Andererseits nährten sie sich schon so lange von Menschenblut, dass der Schlaf für sie die einzige Möglichkeit war, sich nach den Kämpfen zu regenerieren. Doch bei Throe hatte der Adrenalinspiegel seit zwei Uhr nachmittags über diese Notwendigkeit gesiegt, und seitdem wachte er über Xcors Atmung.
Er wollte nach der Uhrzeit sehen und griff nach seinem Handy, doch vor lauter Nervosität konnte er die Zahlen kaum entziffern.
Seit diesem Zwischenfall im Sommer war Xcor ein anderer geworden. Er war noch immer herrisch und fordernd und konnte durch seine kalte, berechnende Art schockieren … aber seine Soldaten betrachtete er in einem anderen Licht. Er schien sich ihnen stärker verbunden zu fühlen, hatte einen Blick für sie entwickelt, der ihm vorher fremd gewesen war.
Es wäre ein Jammer, ihn ausgerechnet jetzt zu verlieren.
Throe rieb sich die Augen und konnte endlich das Display erkennen: fünf Uhr achtunddreißig. Die Sonne stand wahrscheinlich gerade noch über dem Horizont, während sich am Himmel in östlicher Richtung bereits die Dämmerung ausbreitete. Es wäre besser gewesen, zu warten, bis es ganz dunkel war, aber er durfte nicht noch mehr Zeit verlieren – insbesondere, weil er sich seiner Sache nicht sicher war.
Er rollte sich von seinem Hochbett und richtete sich zu voller Größe auf, dann rüttelte er an dem Berg von Decken, unter dem Zypher lag.
»L ass mich in Frieden«, kam es gedämpft. »I ch habe noch dreißig Minuten …«
»D u musst die anderen wecken«, flüsterte Throe.
»M uss ich das?«
»U nd ihr müsst euch bereithalten.«
»T atsächlich?«
»I ch suche eine Vampirin, die Xcor nährt.«
Jetzt horchte Zypher auf. Sein Kopf hob sich aus den Decken – am anderen Ende des Betts. »E rnsthaft?«
Throe ging zum Kopfende, um sich auf Augenhöhe mit dem anderen Vampir zu unterhalten. »S orge dafür, dass er hierbleibt, und halte dich bereit, um ihn zu mir zu bringen.«
»W as hast du vor, Throe?«
Ohne eine Antwort wandte Throe sich ab und zog seine Lederkluft an. Seine Hände zitterten, wenn er an Xcors erbärmlichen Zustand dachte … und daran, dass er diese Vampirin noch einmal sehen würde, sollten seine Gebete erhört werden.
Er blickte an sich hinab und zögerte … Gütige Jungfrau der Schrift, er wünschte, er hätte etwas anderes anzuziehen als Leder. Einen schicken Anzug aus Kammwolle mit Krawatte. Anständige Schuhe zum Binden. Unterwäsche.
»W ohin gehst du?«, fragte Zypher scharf.
»D as spielt keine Rolle. Entscheidend ist, was ich finde.«
»S ag mir, dass du bewaffnet bist.«
Throe hielt inne. Wenn diese Sache aus irgendeinem Grund schiefging, wären Waffen sicher nützlich. Aber er wollte die Auserwählte nicht verängstigen – vorausgesetzt, er konnte sie irgendwie erreichen und dazu bringen, zu ihm zu kommen. So ein zartes Geschöpf …
Nur Waffen, die sich verbergen ließen, beschloss er. Eine kleine Pistole oder zwei. Ein paar Messer.
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