Black Dagger 20 - Schattentraum
einberufen hatte. Natürlich hatte sie ihm außerdem ausgerichtet, dass er für heute beurlaubt war und in seinem Klinikbett bleiben musste – aber er würde sich doch nicht die Analyse der Ereignisse bei Assail entgehen lassen. Kam nicht in die Tüte.
Sie hatte sich wirklich bemüht, ihn zum Bleiben zu bewegen, aber letztlich hatte sie zum Hörer gegriffen und den König informiert, dass noch einer mehr kam.
Als er den Zierpfosten des Geländers umrundete, hörte er, wie sich die Brüder im ersten Stock unterhielten und sich ihre tiefen, tönenden Stimmen gegenseitig überboten. Offensichtlich hatte Wrath noch nicht zur Ordnung gerufen – was hieß, dass ihm noch Zeit für einen kleinen Drink der alkoholischen Sorte blieb, bevor er hochging.
Denn es gab nun mal einfach nichts Besseres, wenn man ohnehin schon wacklig auf den Beinen war.
Nach sorgfältiger Erwägung kam er zu dem Schluss, dass die Bibliothek näher lag als das Billardzimmer, und so schleppte er sich zu der Flügeltür aus Eiche. Doch als er in den Raum sah, erstarrte er.
»A ch du Scheiße …«
Überall stapelten sich alte Gesetzesbücher auf dem Boden, und das war noch nicht alles. Auf dem Tisch unter den Bleiglasfenstern lagen weitere ledergebundene Schwarten, aufgeschlagen, mit entblößten Eingeweiden wie gefallene Soldaten auf dem Schlachtfeld.
Zwei Computer. Ein Laptop. Schreibblöcke.
Ein Knarzen lenkte seinen Blick nach oben. Saxton stand auf der rollbaren Teakholzleiter und griff nach einem Buch auf dem obersten Regalbrett unter dem Deckenfries.
»G uten Abend, Cousin«, grüßte er von seinem luftigen Ausguck.
Der hatte ihm gerade noch gefehlt. »W as geht denn hier ab?«
»D u siehst schon wieder ziemlich erholt aus.« Die Leiter knarzte erneut, als Saxton mit seiner Beute herabstieg. »D as ganze Haus war in Sorge.«
»U nsinn. Mir geht es gut.« Qhuinn trat an die antike Kommode, auf deren marmorner Abdeckung die Schnapsflaschen standen. »A lso, woran arbeitest du hier?«
Denk nicht daran, was er mit Blay macht, denk nicht daran, was er mit Blay macht, denk nicht daran …
»S herry? Du überraschst mich.«
»H ä?« Qhuinn blickte auf das Glas, das er sich gerade eingeschenkt hatte. Scheiße. Vor lauter Selbsthypnose hatte er die falsche Pulle erwischt. »A ch, weißt du … ich finde ihn eigentlich ganz okay.«
Um seine Worte zu belegen, kippte er sich das klebrige Gesöff hinter die Binde – und hätte sich fast daran verschluckt.
Dann schenkte er nach, um nicht wie ein Loser dazustehen, der nicht merkte, was er sich ins Glas goss.
Okay, würg. Der zweite Drink war noch schlimmer als der erste.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sich Saxton an den Tisch setzte, und das Licht der Messinglampe vor ihm tauchte sein Gesicht in einen wundervollen Schein. Scheiße, er sah aus wie ein Model aus einer Ralph-Lauren-Werbung, mit seinem senfgelben Tweedjackett mit spitzem Einstecktuch und dieser Kombi aus Button-down-Hemd und Pullunder, die seine verdammte Leber warm hielt.
Qhuinn hingegen konnte lediglich mit Krankenhauspyjama und nackten Füßen aufwarten. Und mit Sherry.
»A lso, was ist das hier für ein Großprojekt?«, erkundigte er sich erneut.
Saxton sah ihn mit einem merkwürdigen Funkeln in den Augen an. »E ine kleine Revolution, könnte man sagen.«
»O ho, streng geheimer Auftrag des Königs.«
»G anz genau.«
»T ja, dann wünsche ich viel Erfolg. Sieht aus, als wärst du eine Weile damit beschäftigt.«
»M indestens einen Monat, vielleicht länger.«
»U m was geht es denn? Schreibst du etwa das Alte Gesetz um?«
»N ur einen Teil davon.«
»M ann, da bin ich ja richtig froh um meinen Job. Ich lasse lieber auf mich schießen, als mich mit Papierkram rumzuschlagen.« Er goss sich einen dritten widerlichen Sherry ein und versuchte dann, nicht zu zombieartig auszusehen, als er zur Tür schlurfte. »D ann mal viel Spaß.«
»D ir ebenso, lieber Cousin. Ich würde auch gehen, aber ich habe nur wenig Zeit für ein immenses Pensum.«
»D u wirst es schaffen.«
»O h ja. Das werde ich.«
Qhuinn nickte. Dann stieg er die Stufen hinauf und dachte zufrieden, dass dieses Zusammentreffen eigentlich ganz okay verlaufen war. In seinem Kopf waren keine Pornos abgelaufen. Oder Visionen davon, wie er den Wichser windelweich prügelte.
Ein Fortschritt. Immerhin.
Die Flügeltür zum Arbeitszimmer stand offen, und Qhuinn geriet kurz ins Stocken, als er die vielen Leute sah. Heilige Scheiße … es waren ja
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