Black Dales
und derselbe Mann abgebildet war, einmal in jungen Jahren, einmal im Alter von etwa fünfzig. Roy Combs II stand darunter.Nathans Vater?
Kate musste lächeln. Das musste Nathans Vater sein! Er hatte dieselben dunklen Haare, auf dem zweiten Portrait schon etwas ergraut, dieselben Augen, auch wenn sie blau statt grün waren, und man konnte sogar einige Züge erkennen, die sein Sohn geerbt hatte.
Daneben hingen die Bildnisse von Nathans Mutter und seiner Schwester, beide jung und hübsch und mit demselben sanften Ausdruck in den Augen.
Wieder musste Kate über ihre Erkenntnisse lächeln. Nathan hatte seine ursprüngliche Augenfarbe also von seiner Mutter.
Langsam schritt sie weiter und stand schließlich unter zwei weiteren Portraits von Nathan selbst. Wieder kribbelte es in ihrem Magen, dieses Mal halb vor Faszination und halb vor Aufregung. Ja, sie fand es aufregend – unter dem mehr als zweihundertfünfzig Jahre alten Portrait eines Mannes zu stehen, der sie jeden Tag mit einem freundlichen »Guten Morgen« begrüßte!
Und in den man sich ganz nebenbei gnadenlos verliebt hatte.
Ihr ungläubiger Blick wanderte über Nathans Gesicht. Auf dem ersten Bild war er höchstens zwanzig! Wenn überhaupt!
Sie sah hinunter auf die schmalen Worte am Bildrand.
Jonathan Roy A. Combs, 1757 .
Wow. Eines stand fest; diese Portraits hatten eindeutig etwas Spannenderes als die zig Fotos von Kate, die bei ihren Eltern im Wohnzimmer hingen!
Das Bild daneben zeigte Nathan in einem roten Reitmantel, mit Gerte und einem prächtigen Rappen im Hintergrund – und so, wie Kate ihn kannte, auch wenn er noch ein Mensch gewesen war.
Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und das Bild berührt, aber dann ließ sie es sein. Es war seltsam. Nathan schien ihr vertraut und fremd zugleich.
Mit einiger Mühe wandte sich Kate schließlich ab und schritt die letzten Meter zur Tür. An der Schwelle blieb sie stehen und warf einen ersten Blick in das Zimmer dahinter, dann klopfte sie kurz an und trat ein.
Allan stand vor einem der unzähligen Regale und schob ein Buch zurück an seinen Platz, der Einband kratzte unangenehm auf dem dunklen Holz. Hinter dem Alten auf einem kleinen Tisch lagen noch weitere Bücher, Papiere und ein dickes Notizbuch.
Kate war noch nie zuvor in der Bibliothek von Combs Manor gewesen und durfte zu ihrer Befriedigung feststellen, dass der Raum genau dem entsprach, was sie sich unter dem Wort Bibliothek vorstellte. An drei Wänden reihten sich die Regale bis knapp unter die Decke, der Boden war aus dunklem Holz, doch der Raum selbst war erstaunlich hell. Ein hoher Kamin erstreckte sich zwischen zwei Fenstern an der gegenüberliegenden Seite, links befand sich für Kate ein kleiner Teil des Zimmers im toten Winkel, da er hinter der Ecke verborgen lag, vor der Allan stand.
Als Kate eintrat, sah er auf.
»Guten Morgen!«, sprach er überrascht, als hätte er niemals damit gerechnet, sie an diesem Ort zu sehen. »Wie geht’s dir?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ganz gut.« Als sie seinen skeptischen Blick sah, seufzte sie. »Nicht so gut.«
Allan musterte sie einige Sekunden schweigend, und sie wandte sich mit einem schuldbewussten Gesichtsausdruck ab.
Ihr Blick flog über die Buchrücken in dem Regal, vor dem sie stand. Bis auf wenige Ausnahmen waren sie alle in schwere, kostbare Stoffe oder dunkles Leder gebunden und die Schrift war auf vielen von ihnen mit der Zeit verblasst. Einige konnte Kate jedoch noch entziffern; sie handelten von Werwölfen, Vampiren und all den anderen Kreaturen, von denen Kate gar nicht wissen wollte, ob sie existierten oder nicht. Sie mussten uralt sein!
Ob Nathan sie gesammelt hatte, nachdem er gebissen worden war? Um zu wissen, was er geworden war?
»Hast du schon was entdeckt?«, fragte Kate hoffnungsvoll und sah wieder zu Allan hinüber, aber dieser schüttelte den Kopf.
»Nicht viel.« Er drehte sich zu ihr um, während er ein weiteres Buch in die Hand nahm. »Nichts, was wir nicht schon wüssten.«
Daraufhin stieß Kate enttäuscht die Luft aus, doch sie nickte, als hätte sie insgeheim mit keiner anderen Antwort gerechnet.
»Danke«, sagte sie schließlich, und Allan hob überrascht die Augenbrauen.
»Wofür?«
»Für alles.« Sie zuckte mit den Schultern. »Dass du dir wegen mir so viel Mühe machst!«
Seine Miene hellte sich ein wenig auf und sein Mund verzog sich zu einem seiner väterlichen Lächeln. »Da gibt es nichts zu danken«, behauptete er und schlug
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