Black Dales
er und war Kate dabei so nah, dass sie seinen warmen Atem auf der Wange spürte.
Zuerst wusste sie nicht, was er meinte, aber dann begriff sie. Ihr Herz hämmerte, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich.
»Das ist nicht fair!«, gab sie zurück, und Nathan hob die Augenbrauen.
»Ich weiß.«
Dann lagen seine Lippen bereits auf ihren und Kates Erwiderung verlor sich irgendwo im süßen Nichts.
Erst als Allans Stimme zu ihnen hinaufdrang – nach einer wundervollen Ewigkeit –, lösten sie sich wieder voneinander.
»Nathan!«, rief Allan die Treppe hinauf – weshalb Kate ihn auf die Entfernung um ein Haar nicht einmal gehört hätte –, und selbst seine raue Stimme konnte sie nicht ganz in die Wirklichkeit zurückbringen.
»Kannst du mal eben kommen? Ich brauche dich kurz!«
Nathan wandte seinen Blick nicht eine Sekunde von Kates Gesicht ab, während er sprach.
»Ich bin beschäftigt«, entgegnete er nur lächelnd, dann trafen sich ihre Lippen erneut.
Es vergingen vier Tage, ohne dass irgendetwas geschah. Selbst die düsteren Wolken schienen sich des drohenden Unheils bewusst und hingen wie ein dunkler Vorbote über dem Manor.
Während Nathan und Allan in jeder freien Minute zusammensaßen und über die Möglichkeiten sprachen, die ihnen noch blieben, konnte Kate nicht sagen, wie lange sie es noch aushalten würde, bevor sie endgültig die Nerven verlor.
Die ganze Zeit über war sie zwischen zwei extremen Gefühlen hin- und hergerissen. Zum einen war da die Aufregung, die mit jedem Tag, den Nathan und sie sich näherkamen, auf das Doppelte anzuwachsen schien, während Allan vorerst nicht einmal die leiseste Ahnung hatte, was zwischen den beiden entstanden war. Es war unglaublich, wie schnell die zwei vertraut wurden, wie einfach es Kate mit einem Mal fiel, mit Nathan zu sprechen – überhaupt mit ihm zusammen zu sein –, und wie er ihr plötzlich viel weniger unnahbar schien als noch vor ein paar Tagen.
Zum anderen war da diese unglaubliche Panik.
Sie wusste kaum, wie sie die Stunden hinter sich brachte oder es schaffte, nachts ein wenig Schlaf zu bekommen. Ob sich ihre Gedanken in den letzten Tagen überhaupt noch groß um etwas anderes drehten als um das, was sie erwarten und was geschehen würde, wenn sie keinen Weg fänden, das Bündnis zu lösen, konnte sie nicht sagen.
Nathan betrat das dritte Stockwerk seines Hauses nur selten – alle wichtigen Räume lagen auf den ersten zwei Etagen verteilt und die meisten Zimmer im dritten Geschoss, wie das große Musikzimmer, hatten schon seit langer Zeit keine Funktion mehr.
Der Flur, den Nathan nun betrat, besaß dieselbe Breite wie jene im Stockwerk darunter, aber er war um ein ganzes Stück länger, da er sich über einen Großteil des Gebäudes erstreckte und nicht von der Eingangshalle unterbrochen wurde.
Aber er war nicht nur größer und breiter, er war noch etwas vollkommen anderes – er war ein Stück Geschichte.
Alles das, was Nathan dank seiner perfekten Augen in der Dunkelheit um sich herum erkennen konnte, schien sich in den letzten zweihundert Jahren kein bisschen verändert zu haben. Schwere, in Leder gebundene Bücher lagen auf zwei dunklen Tischen an der Wand, ebenso wie ein Stapel zusammengebundener Pergamente, von denen Nathan wusste, dass es sich um Klaviernoten seiner Schwester handelte. In den messingfarbenen Leuchtern steckten sogar noch ein paar der alten Kerzen.
Vor einer der Türen zu seiner Linken blieb Nathan schließlich stehen. Er umschloss den Knauf leicht mit den Fingern und spürte den feinen Staub unter seiner Hand, der sich nach all den Jahren angesammelt hatte, bevor er die Tür aufdrückte und ihm die abgestandene Luft entgegenschlug.
Er trat ein und durchquerte das Zimmer, um die schweren Vorhänge zur Seite zu ziehen und ein wenig des nächtlichen Lichts hineinzulassen.
Dann erst sah Nathan sich um. Natürlich hatte sich seit dem letzten Mal nichts verändert. Die Möbel waren dieselben, die Kissen auf dem großen Bett lagen noch immer an der gleichen Stelle und sogar die wundervollen Kleider würde Nathan finden, wenn er den Schrank im Raum nebenan öffnen würde.
Carolins Zimmer war kein Schrein – zumindest nicht absichtlich –, dass es so unberührt die Zeiten überdauert hatte, kam eigentlich eher daher, dass nie eine Notwendigkeit bestanden hatte, es zu räumen. Dennoch brauchte Nathan eine Weile, bis er seinen Blick abwandte.
Er ging zu einer hohen Spiegelkommode hinüber, die einst
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