Black Jail
mit der realen Situation konfrontiert war, würde er feststellen, dass er es nicht tun konnte.
Zu drohen, abzudrücken, war leicht. Es zu tun, war schon viel schwerer.
Glass musste einfach daran glauben. Wenn nicht, dann würde er nicht mit der Qual in seinem Kopf leben können. Da Mafia tot war, war nicht er es, der sagte: »Lorna ist bei ihrer Mutter.« Er glaubte nicht daran. Der Schmerz inGlass’ Kopf kam nicht allein von dem Druck des Seils um seinen Hals. »Sie ist nicht zu Hause.« Doch, ist sie. Es war etwas anderes. Es fühlte sich an, als wäre sein Gehirn aus Glas und alles wäre inzwischen da drinnen zerbrochen. »Sie ist nicht alleine im Haus mit meinem kleinen Baby.« Hör auf zu lügen. Als brauchte er etwas, um es zu reparieren. Er hätte die Teile gern wieder zusammengestrickt. Die Stille daran gehindert, in ihn einzudringen, sich in die Lücken in seinem Verstand zu drängen. Er war es, Glass, der laut sprach: »Die Polizei wird da sein. Eine Polizistin.« Nein, sie ist allein. Nur sie und Caitlin. Seine Brust hob und senkte sich viel zu schnell. »Watt wird ihnen nichts tun.« Doch, wird er. Und da war ein Krachen in seinen Ohren.
Er konnte Riddell gerade noch sagen hören: »Guter Versuch. Wir kommen immer näher ran. Es wird nicht mehr lange wehtun.«
Glass’ Magen verkrampfte sich, als er hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. Schritte stampften über den Flur, und einen rasend kurzen Herzschlag später öffnete sich die Tür, und eine Taschenlampe blitzte auf.
Glass kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, spähte hindurch und versuchte, allein durch Sehen zu erraten, was passiert war. Glass stellte sich vor, er könne die Wahrheit aus den Augen des Wichsers ablesen. Aber als Watt ihn anschaute, konnte Glass seinem Blick nicht lange genug standhalten, um es rauszufinden. Er merkte, dass er es gar nicht wissen wollte. Er wollte nicht wissen, ob Lorna wieder nach Hause gekommen war. Es war okay, es nicht zu wissen. Solange er es nicht wusste, würde es ihm gutgehen.
Watt lutschte an seiner Lippe, als ob sie bluten würde. Mit einem Plopp spuckte er sie aus. Er kam näher. Leuchtete ihm ins Gesicht. »Schau mich an.«
Glass hatte sich geirrt. Er konnte überhaupt nichts aus Watts Gesichtsausdruck ablesen. So wie der Strahl auf sein Gesicht traf, konnte er benommen oder wütend sein, froh oder entsetzt. Seine Augen gaben nichts wieder, nicht einmal Glass’ winziges Spiegelbild.
»Ich hab die Polizei angerufen«, sagte Watt tonlos. Er berührte Glass an der Wange, dann zog er die Hand wieder zurück. »Ich war’s nicht.«
»Was?« Glass starrte ihn an. »Was warst du nicht?«
»Ich hab gedacht, es wär niemand da.«
»Ja«, sagte Glass rasch, »Lorna war bei ihrer Mutter.«
»Nein«, sagte Watt. »Sie war zu Hause. Ich hab sie gefunden.«
O Gott. »Was hast du mit ihr gemacht?«
»Gar nichts.«
»Lass mich laufen. Lass mich hier raus.«
»Ich war’s nicht.«
»Hör auf, das zu sagen.«
»Jemand anders …«
»Nein. Nicht.«
»Jemand anders hat sie zuerst erwischt.«
»Das glaub ich dir nicht. Ich glaub dir nicht. Was sagst du da, verdammte Scheiße noch mal?«
»Gib dir keine Schuld.«
»Sie leben!«, schrie Glass. Seine Stimme wurde leiser, als sie mit einem Beben sagte: »Du hast sie nicht angerührt. Sie leben. Im Bett. Schlafen.«
Er schloss die Augen und hörte Watt sagen: »Tief und fest.«
»Alle beide?«
»Alle beide.«
Watt log.
Glass erschauerte. Er atmete scharf ein. »Bring mich um, wenn du willst«, sagte er. »Aber sag mir die Wahrheit. Was hast du grade gemacht?«
»Ich schwör dir, ich lüg dich nicht an. Ich hab ihnen kein Haar gekrümmt.« Er nickte. »Aber sie sind tot.« Er brach ab. »Sie sind beide tot.«
»Nein!«, schrie Glass und warf sich nach vorn, so dass sich das Seil um seinen Hals zuzog. »Nein!«, schrie er noch einmal, aber seine Stimme war weg, und es kam nichts als ein Krächzen heraus. Er stieß sich noch fester ab, versuchte, Watt zu erreichen, seine Schläfen summten, es war ihm egal, dass er sich erdrosselte.
Watt trat einen Schritt zurück.
Glass zerrte erneut heftig an dem Seil, quetschte einen weiteren erbarmungswürdigen Schrei heraus. Das Seil legte sich eng um seine Luftröhre. Sein Gesicht lief blutrot an, und er hatte das Gefühl, die Augen wollten ihm herausplatzen. Er saugte Luft ein, aber da war nichts. Er atmete nicht. Er japste ins Leere.
Watt flitzte hinter ihn und krabbelte unter dem Stuhl herum.
Glass
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