Black, Jenna - Die Exorzistin Bd. 1 - Dämonenkuss
Augen etwas weniger hell glühten. »Adam ist noch nicht oft auf der Ebene der Sterblichen gewandelt«, sagte er. Gott sei Dank sprach er wieder mit normaler Stimme. Das Knurren, mit dem er vorher seine Worte ausgestoßen hatte, war verstörender gewesen, als ich vor mir selbst hatte zugeben wollen.
»Er ist sich darüber im Klaren, dass es für Menschen nicht immer einfach ist, dämonische Verhaltensweisen zu verstehen«, fuhr Lugh fort. »Allerdings hat er noch nicht begriffen, dass das andersherum genauso zutrifft.«
Wenn es Lugh besänftigte, Adam einer Psychoanalyse zu unterziehen, wollte ich gerne mein Möglichstes dazu beitragen. »Was meinst du damit?«
»Was er zu dir gesagt hat, war töricht und taktisch unklug.
Außerdem hast du auch nicht wirklich verstanden, was er damit zum Ausdruck bringen wollte.«
»Und du schon.«
Er zuckte mit den Achseln. Das Glühen in seinen Augen erstarb tatsächlich allmählich. Halleluja!
»Da ich ein Dämon bin, habe ich es verstanden. Ich werde versuchen, es dir zu erklären, kann aber nicht garantieren, dass es mir auch gelingen wird.« Er hatte sich offenbar wieder hinreichend für mich erwärmt, um mich jetzt sogar schwach anzulächeln. »Adam verständlich zu machen, warum ein Mensch manchmal Schuld wegen seiner Handlungen empfindet, wäre übrigens genauso schwierig.«
Er runzelte die Stirn.
»Es ist nicht so, als hätten wir keine Gefühle. Und wir können sehr wohl Schuld empfinden. Erinnerst du dich noch, wie Adam reagiert hat, als du Dominic erzählt hast, dass sein Dämon in Wirklichkeit gar nicht tot ist?«
Ich nickte. Wie hätte ich das vergessen können? Und tatsächlich: Adams Weigerung, sich selbst zu heilen, war vermutlich ein Zeichen dafür gewesen, dass er sich schuldig fühlte.
»Wir sind ein von Natur aus sehr pragmatisch eingestelltes Volk. Wenn wir das Gefühl haben, wir hätten auf andere Weise handeln sollen, empfinden wir genauso wir ihr Schuld und Reue. Aber es fällt uns leichter, Dinge zu akzeptieren, die wir ohnehin nicht ändern können.«
Ich dachte über seine Worte nach und prüfte, ob sie einen Sinn für mich ergaben. »Solange Adam davon überzeugt wäre, dass es sich ohnehin nicht ändern lässt, könnte er Dominic tatsächlich umbringen, ohne die geringsten Gewissensbisse zu empfinden? Obwohl er ihn so sehr mag?«
Lugh lächelte. »›Mag‹ ist leicht untertrieben, aber ja; Genau das hat er dir zu sagen versucht. Wenn er irgendwann einmal mehr Erfahrung im Umgang mit menschlichen Gefühlen und Gedanken hat, wird er verstehen, warum das nicht der richtige Zeitpunkt war, um dir diesen Unterschied zwischen uns und euch zu erklären.«
Konnte es überhaupt einen richtigen Zeitpunkt dafür geben, jemandem so etwas zu erklären? Mir schien es nur zu beweisen, dass man einem Dämon nie ganz trauen konnte. Zu wissen, dass er trotz starker Gefühle für dich stets bereit wäre, dich umzubringen, wenn die Situation danach verlangte – das war kein beruhigender Gedanke. Lugh mochte diese Haltung »pragmatisch« nennen. Ich fragte mich, ob »skrupellos« nicht das treffendere Wort war.
»Es gibt noch etwas, was du meiner Meinung nach wissen solltest«, fuhr Lugh fort. »Etwas, was dir dabei helfen könnte, Adam mit freundlicheren Augen zu betrachten.«
Wenn er glaubte, ich würde Adam jemals wieder mit »freundlichen Augen« betrachten, musste er verrückt sein. Selbstverständlich behielt ich das für mich, obwohl er sich darüber wahrscheinlich ohnehin im Klaren war.
»Adams Vergnügen daran, anderen Schmerzen zuzufügen, ist nicht mit herkömmlichem menschlichem Sadismus zu vergleichen.«
Herkömmlichem menschlichem Sadismus?
Lugh schien diesen Gedanken mitzubekommen, denn ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen.
»Ein Mensch, der seinen Hang zum Exzessiven auslebt, würde dabei nie so gewissenhaft auf das Wohl anderer achten. Ein Mensch würde seinem Partner zuliebe sein Verlangen nicht auf dieselbe Weise zügeln, wie Adam das für Dominic tut. Bei einem Menschen würden sadistische Handlungen dieser Intensität mit zahlreichen psychologischen Charaktermerkmalen einhergehen – dem Bedürfnis, andere zu beherrschen und zu erniedrigen, zum Beispiel –, die Adam allesamt fehlen. Wie ich schon gesagt habe, ist er noch nicht oft auf der Ebene der Sterblichen gewandelt. Dort, wo wir zu Hause sind, haben wir keinen Körper, was bedeutet, dass der menschliche Tastsinn für uns etwas vollkommen Neues und Fremdes ist.
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