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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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wieder auf seinem normalen Drohpegel aus dem Beichtunterricht. Wahrscheinlich hörte ab jetzt die halbe Kirche mit.
    »Noch dazu so ein Schmierblatt«, fügte der Gneissel hinzu.
    Ob ich die Bravo schon wieder zurückgegeben hätte, fragte er mich, und ich verneinte, weil ich ja das Poster von der Spider Murphy Gang herausgerissen und über mein Bett gehängt hatte, gleich neben dem Holzkreuz und dem Marienbild, das ich von meiner Oma mütterlicherseits zum sechsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.
    »Diebstahl ist eine Todsünde«, sagte der Gneissel. »Du musst die Illustrierte wieder zurückgeben oder dich bei der Polizei melden.«
    Das war’s. Ich war erledigt. Kein Raumschiff, kein Himmelreich und wahrscheinlich noch nicht einmal ein Erdbeerkuchen. Ein derartiges Schwindelgefühl zog in mir auf, dass ich mich an dem vergitterten Beichtfenster festhalten musste, um nicht durch die Tür hinaus in den Kirchengang zu Füßen der Schlange von beichtwilligen Drittklässlern zu fallen. Mir war vollkommen klar, dass ein Diebstahl eine ungute Sache für den Kontostand war, aber ich hatte gehofft, mit der Beichte wäre ich mit den Erbsenzählern da oben erst einmal quitt. Die Illustrierte zurückgeben und sich so im ganzen Ort als Verbrecher und Todsünder zur Schau zu stellen, davon war im Beichtunterricht nie die Rede gewesen.
    »Komm ich jetzt nicht mehr in den Himmel?«, wimmerte ich durch das Beichtgitter zum Gneissel hinüber.
    »Jetzt hören wir uns erst noch den Rest von deinen Sünden an«, sagte der Gneissel, und das machte mir Hoffnung.
    Er hatte mich so in die Enge getrieben, dass ich beim Rest der Beichte jede noch so kleine Schlawinerei zur Sprache brachte, um ihm zu beweisen, wie reuig ich war und wie ernst ich unseren Ablasshandel nahm. Ich glaube, ich saß eine volle halbe Stunde in dem scheiß Beichtstuhl, und selbst ein Beichtfanatiker wie der Gneissel muss genervt gewesen sein. Und natürlich kam ich irgendwann zum unvermeidlichen Punkt 6, den ich bis zum Schluss aufgeschoben hatte, und dachte mir, wenn der Gneissel jetzt denkt, dass ich ihm etwas verschweige, dann zeigt der mich persönlich bei der Polizei an, und dann werden mich meine Eltern in ein Internat stecken. Weil Internat immer die schlimmste Vorstellung war, noch vor der Hölle. Und so verfiel ich in eine Art vorauseilenden Gehorsam, der mir bis zum heutigen Tag so peinlich ist, dass ich sofort wieder einen Schwindelanfall habe, wenn ich nur daran denke. Ich sagte in etwa Folgendes zum Gneissel:
    »Äh, also, ich war ziemlich unkeusch in Worten und Taten. Also in Worten vor allem. Aber auch in Taten.«
    »Aha?« Der Gneissel war mittlerweile wieder zum Flüstern übergegangen, aber jetzt war es ein atemloses Flüstern.
    »Inwiefern bist du unkeusch geworden, mein Sohn?«, hauchte er jetzt förmlich.
    »Äh, ich … bin schwul geworden«, sagte ich, weil ich mich an die Worte meines Vater erinnerte.
    Von der anderen Seite des Beichtstuhls kam erst mal nichts mehr. Ich war mir auch unsicher, ob ich die neue Vokabel richtig verwendet hatte.
    »Du weißt, dass auch die Lüge eine schwere Sünde ist. Vor allem während der heiligen Beichte«, sagte der Gneissel durch das vergitterte Fenster.
    »Jaja, Herr Gneissel, das weiß ich. Freilich weiß ich das, und deshalb lüge ich doch auch nicht. Ich bin wirklich schwul«, setzte ich alles auf eine Karte. Von drüben kam nichts mehr.
    »Ich werde dir jetzt deine Bußaufgaben nennen«, sagte der Gneissel nach einer Weile.
    »Aber ich bin doch noch gar nicht fertig«, sagte ich.
    »Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine patris et filii et spiritus sancti«, sagte der Gneissel jetzt fast mit brüchiger Stimme.
    »Äh, wie bitte?«, fragte ich, weil ich kein Wort verstand und wir das in der Fremdsprache auch nicht geübt hatten.
    »So spreche ich dich los von deinen Sünden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, sagte der Gneissel gehetzt.
    »Amen«, sagte ich und hatte schon die Hand am Türknauf.
    »Zur Buße betest du zwanzig Rosenkränze und zwanzig Vaterunser«, flüsterte der Gneissel kraftlos.
    »Jawohl, Herr Gneissel«, sagte ich und machte die Tür auf.
    »Und Sigfried?«
    »Ja?«
    »Vielleicht mag dein Vater demnächst mal bei mir vorbeischauen.«
    »Ich richt’s ihm aus«, sagte ich und schnell noch mal »Amen«, bevor mir ein krachender Furz wie der Zorn Gottes aus dem Hintern fuhr, sodass draußen alle Blicke auf den Beichtstuhl fielen und danach auf mich,

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