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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Loki bestraft wurde?« Myklebust sah den Mandel herrausfordernd an.
    Er erinnerte den Mandel von der Art her ein wenig an Raske, nur dass Myklebusts Haare hellblond waren und ihm fast bis zum Nietengürtel reichten. Seine Augen waren hellgrün, was gut zu seiner schwarzen Kleidung passte. Sein Gesicht wies trotz seiner krummen Nase noch kindliche Züge auf, er konnte nicht älter als zwanzig sein.
    »Weil er Balder umgebracht hat?«, mutmaßte der Mandel, der Mythenkundler.
    »Weil er ein Außenseiter ist, weil er sich mit den Göttern anlegt, weil er sie wegen ihrer einfältigen Vorstellung von Ehre und Moral verspottet. Loki ist der einzige der nordischen Götter, der sich mit Vorsatz nicht an die Konventionen hält. Er ist wie der Luzifer der christlichen Mythologie, er ist der Zweifler, der Intellektuelle. Aber die Verfälschungen eurer Übersetzer haben aus Luzifer den Teufel werden lassen, während der Loki aus der Edda auch heute noch als zwiespältiger, aber keineswegs von Grund auf schlechter Charakter überliefert ist.«
    Der Mandel hatte wahrscheinlich für heute genug von Freizeitphilosophen wie Raske und Myklebust und kam deshalb schneller zum Punkt, als er eigentlich vorgehabt hatte.
    »Wo ist Baalberith?«, fragte er.
    »Halt, halt, halt, Herr Mandel. Du bist doch hier, um eine Geschichte über uns zu schreiben. So ist es mit Raske vereinbart.« Das Herr sprach er deutsch aus.
    »Und ich bin gleichzeitig von Vilde Hallberg beauftragt worden, ihren Bruder zu suchen, das ist wichtiger als eure Homestory«, sagte der Mandel, und das war stark, weil es zum einen die Wahrheit, zum anderen aber auch eine erste Ansage an Myklebust war, um dem von vornherein das Standgas einzustellen, wie man früher bei uns gesagt hat. Leider ist der Mandel danach nicht so konsequent in Sachen Standgas einstellen geblieben.
    »Ich weiß nicht, wo Hallberg ist. Und bitte nenn ihn nicht Baalberith, das ist ein peinlicher Name. Mir hängt dieser dämonologische Mist sowieso zum Hals raus«, sagte Anders Myklebust alias Jörmungandr.
    Der Mandel stellte beruhigt per Taschentuch fest, dass sein Kopf nicht mehr blutete, und nahm eine von den Gitarren in die Hand, die an dem Verstärker lehnten. Es war eine schwarze Explorer von Gibson mit weißem Schlagbrett.
    »Schönes Ding«, sagte der Mandel.
    »Kannst du spielen? Lass mal was hören«, sagte Myklebust.
    »Nein, um Gottes willen«, sagte der Mandel und stellte die Gitarre wieder zurück.
    »Was bedeutet denn Jörmungandr?«, fragte er dann.
    »Das ist der Name der Midgard-Schlange. Die Seeschlange, die die Welt umschlingt und zusammenhält. Und die am Ende der Zeit den Donnergott Thor tötet«, sagte Myklebust.
    »Aber erst nachdem Thor ihr eins mit dem Hammer Mjölnir auf die Nuss gegeben hat«, fügte der Mandel hinzu und lachte über seinen eigenen Spruch. Myklebust verzog den Mund zu einem qualvollen Lächeln.
    »Habt ihr Cristian Hallberg tatsächlich gekreuzigt?«, wechselte der Mandel das Thema.
    »Komm mit uns nach Oslo, und danach kriegst du die Antwort«, sagte Myklebust.
    »Was ist denn in Oslo?«, fragte der Mandel.
    »Ein Auftritt«, sagte Myklebust.
    »Und wann?«
    »In etwa einer Stunde fahren wir los. Wir können hier noch einen Kaffee trinken und auf die anderen warten.«
    »Von mir aus«, sagte der Mandel.
    »Gib mir dein Handy«, sagte Myklebust.
    »Warum?«, fragte der Mandel.
    »Weil der Auftritt geheim ist«, sagte Myklebust.
    »Ich mach schon kein Bootleg«, sagte der Mandel und gab Myklebust trotzdem sein Telefon. Falls jemand nicht mehr weiß, was ein Bootleg ist – so nannte man im letzten Jahrhundert den illegalen Mitschnitt eines Konzerts. Myklebust schaltete das Telefon vom Mandel aus und steckte es in die hintere Hosentasche seiner hautengen schwarzen Hose. Als solche Hosen vorletztes Jahr bei uns in der Stadt modern waren, hat der Mandel auch mal eine in einem Modegeschäft anprobiert, und sie ist am Schritt zerrissen. Mein ja nur.
    Der Mandel setzte sich auf einen Hocker hinter dem Schlagzeug der Marke Ludwig und haute arhythmisch auf den Toms herum. Myklebust verschwand für fünf Minuten und kam mit zwei Tassen Kaffee wieder. Eine davon reichte er dem Mandel hinter das Schlagzeug. Der Mandel war trotz der Kälte ein bisschen verschwitzt, weil er in Myklebusts Abwesenheit auf den Toms und der Snare herumgetrommelt hatte und dabei immer schneller geworden war. Der Mandel kann überhaupt nicht Schlagzeug spielen, muss man dazu sagen. Und ein

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