Black Mandel
kleiner brauner Vogel mit einem außerirdisch langen Schnabel setzte sich vor mir auf die Wiese, als hätte er sonst nichts zu tun. Ich beobachtete ihn.
»… aber das konnte Hades natürlich nicht auf sich sitzen lassen, deshalb fing er an, diverse Gerüchte über Aksel zu streuen. Raske wohne noch bei seinen Eltern, Raske sei ein Kiffer, zudem sei er Kommunist. Raske habe die Idee mit den Kirchenbränden von ihm. Raske habe Riffs bei Godfuck geklaut und als seine eigenen ausgegeben und so weiter. Das ist übrigens ein Schlammläufer«, sagte Aasen, vermutlich weil ich noch immer den Vogel anstarrte.
»Deshalb der lange Schnabel«, sagte ich, obwohl ich im Leben noch nie etwas von einem Schlammläufer gehört hatte.
»Aber erzähl ruhig weiter«, sagte ich und beobachtete den Schlammläufer, wie er seinen langen Schnabel in die sumpfige Wiese hineinbohrte.
»Aksel ließ seinerseits anonyme Briefe an Motzfeld und dessen Anhang schicken, in denen er drohte, Bombenanschläge auf Osloer Konzerte zu verüben, weil die Osloer Szene nur noch auf Profit aus sei und damit unecht. In Wirklichkeit hatte der Kapitalismus längst bei uns allen Einzug gehalten. Je mehr Kirchen brannten und je mehr Gräber geschändet wurden, desto besser verkauften sich die Alben von Godfuck und Dark Reich, und auch unser Debütalbum ging innerhalb von vier Wochen in die dritte Auflage. Jede kleine Scheißband konnte plötzlich etwas veröffentlichen. Die Bands neideten sich zudem gegenseitig den Erfolg, und man konnte auch die Streitigkeiten der Osloer und der Bergener Fraktionen nicht mehr unter Verschluss halten. Bei einem Godfuck-Konzert im Garage haben sich Raskes und Motzfelds Anhänger gegenseitig die Fresse eingeschlagen, und ab da wusste jeder, dass der Svarte Sirkel in zwei Lager zerfallen war.«
»Ganz schön kindisch«, sagte ich und hoffte, dass wir bald wieder zurück zum Haus gingen, denn der Wind drang in die entlegensten Stellen meines Körpers, und der Schlammläufer war auch weg. Da war nur noch Aasen und seine deprimierende Geschichte.
»Deshalb gab es danach auch eine Petition, den Sirkel wieder zu einen. Motzfeld zeigte sich kompromissbereit und sagte, dass er sich jederzeit mit Aksel zusammensetzen würde. In den Gerichtsprotokollen von damals ist übrigens die Aussage des Godfuck-Gitarristen Necronomicon nachzulesen, zu dem Hades exakt zur Zeit der Petition gesagt haben soll, den Raske werde er sich eines Tages schnappen, ihn im Wald an einen Baum nageln und ihm Säure ins Gesicht gießen, bis er sich häutet.«
»Oha«, sagte ich.
»Ich glaube nicht, dass Hades sich so etwas jemals getraut hätte. Er war im Prinzip nur ein Wichtigtuer und hatte bis Fantoft nie auch nur eine Zigarette in der Nähe einer Kirche geraucht. Deshalb kam Raske auch auf die Idee zur Vereinigung der beiden Gruppen. Als Vertreter beider Lager sollten Hades und Raske zu Ehren eines vereinigten Svarte Sirkel eine extremistische Großtat zusammen ausführen.«
»Die Stabkirche in Bergen anzünden«, mutmaßte ich.
»Genau. Aksel versprach, dass er und Motzfeld als Zeichen der neuen Brüderlichkeit zwischen Oslo und Bergen eigenhändig die Kirche in Brand setzen würden. Das kann Motzfeld natürlich nicht gepasst haben, weil er sich aus konkreten Straftaten ja immer herausgehalten hatte, aber jetzt war er vor dem gesamten Kreis herausgefordert worden und durfte den Schwanz nicht einziehen.«
»Und dann hat Raske nicht nur die Kirche, sondern Motzfeld gleich mit angezündet«, sagte ich, auch weil ich zeigen wollte, dass ich noch zuhörte.
»Was dann genau passiert ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur noch, dass Hades es am 6. Juni tun wollte, wegen der Symbolkraft des Datums, aber dann war am 6. Juni das Deicide-Konzert in Lillehammer, und alle waren viel zu betrunken. Also wurde die Aktion eine Woche nach hinten auf den 13. Juni geschoben. Motzfeld und seine Leute sind angeblich zur vereinbarten Uhrzeit in die Kirche eingebrochen und waren gerade dabei, Feuer zu legen, aber jemand verbarrikadierte die Tür und zündete die Kirche von außen an.«
»Wieso hat Motzfeld nicht auf Raske gewartet? Waren sie nicht verabredet?«, wollte ich wissen.
»Raske behauptet, er sei zu spät gewesen und habe niemanden gesehen.«
»Wieso hat man Raske überhaupt anklagen können?«
»Weil Raske vom Staatsschutz überwacht wurde und ihm jemand bis zu der Kirche gefolgt war. Er wurde noch in derselben Nacht festgenommen. Es gab nur keine Zeugen für die
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