Black Monday
Notizen, Unterlagen, Fotos, Querverweisen, Videos, CDs oder Büchern, die in irgendeiner Weise, und sei es noch so weit hergeholt, mit Delta-3 zu tun haben könnten.
In unseren weißen Tarnparkas sehen wir aus wie Schneesoldaten.
Auch bei Einsätzen in zentralafrikanischen Katastrophengebieten war er immer in Begleitung von Soldaten. Nur dass sie in Afrika nicht an fröhlichen Werbeplakaten für das Skihotel Butternut oder die Boston Symphony in Tanglewood vorbeifuhren. Die Raststätten am Highway wirken jetzt wie winzige Geisterstädte. Der Himmel über den Berkshires ist grau.
Die Landrover halten an der Ausfahrt 2, die nicht geräumt ist. Gerard sieht zu, wie die FBI-Leute ihre Zweitakt-Schneemobile und die Schlitten von den Anhängern laden.
»Die Lebensmittellieferungen in diesen Teil von Massachusetts wurden vor einem Monat eingestellt«, sagt Patricia Saiko, während sie ihre M-16 überprüft. »Es schneit jetzt schon seit Tagen. Es gibt unbestätigte Berichte von Überfällen aus dem Hinterhalt und … sagen wir mal … fantasievollen Speiseplänen.«
Erschüttert lässt Gerard seinen Blick über die stille Landschaft schweifen. Kurz zuvor hatte sie ihn noch an eine Radierung von Currier & Ives erinnert. Täler. Friedliche Städte. New-England-Wälder. Schnee.
»Ich sagte, unbestätigte Berichte«, bemerkt Patricia Saiko und bedeutet allen, ihre zugewiesenen Plätze einzunehmen. Der Konvoi windet sich die Ausfahrt hinunter, zwischen den leeren Mauthäuschen hindurch und vorbei an einer Werbetafel des Kiwanis-Clubs in Richtung des Städtchens Lee.
Lee wirkt verlassen. Nirgendwo steigt Rauch aus den Kaminen. In den kahlen Bäumen hocken keine Vögel. Es ist wie ein winterliches Diorama, aus dem ein New-England-Kirchturm ragt.
Gerard fragt sich, ob sie von hungernden Menschen beobachtet werden. In der stillen Weite, in der es keinerlei motorisierten Verkehr mehr gibt, ist selbst das gedämpfte Geräusch der Schneemobile über Meilen hinweg zu hören, so dass jedes Lebewesen schon von weitem über ihr Näherkommen informiert wird.
»Ich sorge dafür, dass Sie sicher ans Ziel gelangen, Commander«, vernimmt Gerard über seine Kopfhörer Agent Saikos grimmige Stimme. »Verlassen Sie sich drauf.«
19. KAPITEL
7. Dezember. Nachmittag. 40 Tage nach dem Ausbruch.
Die Massachusetts Route 20 – normalerweise eine zweispurige Landstraße – ist unter einer so hohen Schneedecke begraben, dass die Tempolimitschilder ein paar Zentimeter über der weißen Oberfläche zu schweben scheinen. Sie fahren an Sekundärwäldern, Granitausschlüssen und Hochmooren vorbei. Nach den Hinweisschildern am Eingang der Städtchen zu urteilen, die sie passieren, macht der Konvoi eine Reise in die Vergangenheit: Soeben haben sie Lee hinter sich gelassen, gegründet 1777, und fahren jetzt durch Beck, gegründet 1765.
»Alle mal herhören«, vernimmt Gerard die Stimme von Agentin Saiko, die vorn in seinem Schlitten sitzt, über sein Earpiece. »Laut Landkarte liegt die George Carter Road ungefähr zwölf Kilometer von Lee entfernt, wir müssten also ziemlich nah dran sein.«
Auf einem zugefrorenen See sieht er Eisangler mit Gewehren über der Schulter. Aus dem Kamin eines weißen Holzhauses steigt Rauch auf. In einem überfrorenen Sumpf hält ein Mann mit Kapuze und Fernglas nach etwas Ausschau. Gerard erkennt, dass es sich bei den Schneehaufen um eine demolierte Scheune herum um Autowracks handelt, die wohl einen Schutzwall bilden sollten. Offensichtlich hat es nicht funktioniert.
Die Stimme in seinem Earpiece sagt: »Wir suchen nach einem Schild: Jacob's Pillow Dance Festival.«
Er zuckt zusammen, als ihm einfällt, dass er das mitten im Wald gelegene Festgelände – ein nationales historisches Wahrzeichen – und die Freilichtbühne einmal mit seiner Familie besucht hat. Die Bäume waren voller Laub, und wir haben israelische Tänzer auf der Bühne gesehen.
Saiko warnt: »Stehen Sie in Ihren Schlitten auf keinen Fall auf.«
Gerard erinnert sich. Er ist Medizinstudent und liegt nach einem Saufgelage am Samstagabend schlafend im Bett. Lautes Pochen an seiner Tür reißt ihn aus dem Schlaf. Als er aufmacht, steht Dr. Larch auf dem Flur, in einem tropfnassen Regenmantel und mit Gummiüberschuhen.
»Ich brauche Hilfe«, sagt Larch.
Zehn Minuten später fahren sie über die Key Bridge nach Roslyn hinein, während Gerard sich mit dampfendem Kaffee stärkt. Die Scheibenwischer quietschen. Larch sitzt übers Steuerrad gebeugt
Weitere Kostenlose Bücher