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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Parfüm, Waschmittel.
    In einiger Entfernung öffnet sich die Tür eines Gebäudes, das zu einem vierundzwanzigstündigen »Nachtclub« umfunktioniert worden ist, und ein halbes Dutzend stämmige Kerle kommen lachend heraus. Das Zuschlagen der Tür lässt die Rock-'n'-Roll-Klänge verstummen. Ein Gullideckel fällt krachend zu. Im Vorbeigehen hört Pastor Young darunter ein Kind schreien. Dann wird es still. Er spürt Blicke auf sich. Er weiß, dass er von Wachen beobachtet wird, die sich auf den Dächern bewohnter Gebäude postiert haben. Die Bewohner haben sich mittlerweile mit automatischen Gewehren bewaffnet, um zu überleben. Haben in Outdoorläden Gaslaternen, Thermokleidung und Gaskocher erbeutet.
    Pastor Young versucht es mit: »Die Männer haben meine Frau erschossen.«
    Schon bald werden die Bewohner dieser Gebäude einander überfallen – wegen der Lebensmittel, wegen alter Streitigkeiten, aus Machtgelüsten, wegen Sex. Oder weil sie einfach wütend sind und ein Ventil brauchen. Die Verlierer werden diejenigen sein, die der Versuchung zum Plündern widerstanden haben, bis es zu spät war, diejenigen, die sich nur mit Knüppeln, Gardinenstangen, abgebrochenen Flaschen oder Ziegelsteinen verteidigen können.
    »Ach, Jessica«, wimmert Pastor Young. »Meine arme Frau.«
    Nein, nicht übertreiben, sagt er sich. Keine Namen.
    Alles sieht so anders aus als damals, als er zum ersten Mal nach Washington gekommen ist. Anfang Oktober, im Morgengrauen, war die Straße ein Musterbeispiel für moderne Effizienz gewesen. Lastwagen der Bäckerei Entenmann belieferten Lebensmittelläden mit Kuchen und Gebäck. Rumpelnde Müllwagen – leuchtend bunte Fahrzeuge einer Privatfirma – ließen Abfallberge verschwinden. Scheinwerferlicht zeugte von der Ankunft der ersten Pendler. Die Ampeln funktionierten. In den Bäumen gurrten Tauben (die längst alle verspeist sind), und herrenlose Hunde (ebenfalls verspeist) nahmen in den Parks vor ihm Reißaus.
    Ist das ein Streifenwagen, der mir da entgegenkommt?
    Ausgerechnet. Einige wenige Wagen patrouillieren noch, aber so selten, dass man nur alle paar Tage einen zu Gesicht bekommt. Young geht unbeirrt weiter. Die Scheinwerfer kommen sehr langsam näher. Er sieht vier Gestalten in dem Fahrzeug, und als das Fenster heruntergekurbelt wird, hört er das Krächzen des Funkgeräts. Er setzt sein Pastorenlächeln auf und beugt sich zum Fenster hinunter, bevor jemand dazu kommt, auszusteigen. Unterhalb des Fensters hält er die Hand über der Glock.
    Ihm fällt ein Satz aus dem Buch seines Ururgroßvaters ein, der, nachdem er von türkischen Soldaten verhaftet wurde, geschrieben hat: »Ich verfluchte meine Bedeutungslosigkeit.«
    »Hallo, Pastor.«
    »Meine Herren.«
    »Wir kriegen gleich einen schlimmen Schneesturm, Pastor. Sie sollten lieber nach Hause gehen.«
    »Aber so viele Menschen haben kein Zuhause mehr.«
    Der Fahrer scheint besorgt um Pastor Young. »Es ist nicht nur der Schneesturm. Hier wird bald richtig die Kacke dampfen – verzeihen Sie die Ausdrucksweise.« Etwas leiser erklärt er ihm, dass die Gesetze zur Zoneneinteilung um 10 Uhr aufgehoben werden und dass Polizei und Armee sich in den nächsten Stunden aus den Zonen A und B zurückziehen werden, um die Regierungsgebäude zu schützen. Sollte der Schneesturm nicht jedes Verlassen der Gebäude unmöglich machen, sei in der ganzen Stadt mit Unruhen zu rechnen.
    »Das wird verdammt gefährlich hier draußen. Sollen wir Sie nach Hause oder wenigstens bis zur Brücke bringen?«
    »Die Straße ist mein Zuhause.«
    Die Polizisten fahren weiter und Bartholomew setzt seinen Weg fort. Weiche Schneeflocken kitzeln an seinen Wimpern. Um halb sieben geht er die lange, steile Straße hoch, die ihre höchste Stelle oberhalb der Nebraska Avenue, in der Nähe der Marion Street, hat. Jetzt, wo es allmählich heller wird, verwandelt sich die Connecticut Avenue von einem Niemandsland zurück in eine halbwegs sichere Durchgangsstraße. Eine Gruppe Männer und Frauen mit Angeln – und Sägen für das Eis – stapfen in Richtung Potomac. Ein paar Leute, die während der Nacht auf Jagd waren, kommen mit hölzernen Fallen, in denen wahrscheinlich Ratten sitzen, aus einem Gebäude. Dick vermummte Menschen, immer in Gruppen, brechen zu Spaziergängen, Erkundungsgängen, Raubzügen oder Besuchen auf. Vier Männer mit Rucksäcken und Baseballschlägern winken Young zu sich herüber.
    »Wollen Sie Fleisch kaufen, Pastor?«
    »Was für Fleisch?«

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