Black Monday
an distanziert gegenüber Gerard, war in seinen Vierzigern einmal ein gut aussehender Mann, er ist äußerst ehrgeizig und hat ein ausgesprochenes Händchen dafür, sich bei Vorgesetzten einzuschmeicheln, wie Gerard bald nach seiner Einstellung erfuhr. Hauser wurde mit dem Silver Star ausgezeichnet, nachdem er im Irak während einer Erkundungsfahrt neunzig Sekunden lang in ein Feuergefecht geraten war. Im Großen und Ganzen jedoch war er ein Bürohengst. Er hat ziemlich dumm dagestanden, als Gerard nachweisen konnte, dass die Epidemie auf den Philippinen nichts mit Terrorismus zu tun hatte. Schon damals träumte Hauser von weiteren Sternen auf den Epauletten und da er Kompromittierung mehr fürchtete als Feindfeuer, widerstrebte es ihm, mit Gerard zusammenzuarbeiten. Den anerkannten Wissenschaftler nicht ins Team zu berufen, hätte jedoch einen schlechten Eindruck gemacht.
»Wir sind kein demokratischer Verein«, erklärte Hauser gleich am ersten Tag. »Sie beraten mich und Staatssekretär Ames, und der untersteht dem Verteidigungsminister. Im Falle eines chemischen oder biologischen Angriffs übernimmt Rapid Response die Führungsrolle bei allen Ermittlungen. Befehlsgewalt über die örtliche Polizei. Privilegierter Zugang zu allen Labors im ganzen Land. Übrigens, Commander, mit Ihrem eigenwilligen Vorgehen auf den Philippinen hatten Sie einfach Glück. Hier halten Sie sich an die Befehlsstruktur. Ich bin verantwortlich für das, was Sie tun.«
Jetzt eskortiert Captain Ross Gerard durch das Drehkreuz und den Metalldetektor in der Lobby des Gebäudes. Die Gemälde, die die Korridorwände schmücken – brennende Kriegsschiffe in Pearl Harbor, die einstürzenden Türme des World Trade Center –, rufen wieder die Erinnerung an die Szenerie auf der Connecticut Avenue hervor.
Sie betreten die Kommandozentrale, die vor Aktivitäten nur so brummt. Hinter Trennwänden sitzen Militärs – Geheimdienstler, Mitglieder von Einsatzgruppen und Logistiker – an Computern, telefonieren und studieren Karten und Lageberichte.
Ross fuhrt Gerard zu einem abgetrennten Konferenzraum in der hinteren Ecke. Die Tür ist geschlossen.
»Sir, ich weiß zwar, dass Sie der Letzte sind, den wir geholt haben, aber Ihre Nachbarn haben erzählt, Sie hätten heute Nacht ein halbes Dutzend Leben gerettet«, sagt sie freundlich.
»Was ist die Ursache? Öl fressende Bakterien?« Staatssekretär Dennis Ames atmet schwer, als Gerard eintritt.
»O mein Gott«, sagt jemand anders in die Dunkelheit.
Der Krisenstab ist über Video und Telefon mit Fort Detrick in Maryland verbunden, wo die wichtigsten Labors des Landes zur Bekämpfung biologischer und chemischer Waffen untergebracht sind. Auf dem Großbildschirm ist eine Wissenschaftlerin im Laborkittel zu sehen. Das ist doch Theresa Novak, denkt Gerard verblüfft und sieht plötzlich einen Strand auf den Philippinen vor sich. Vollmond. Eine leere Weinflasche. Eine Feier anlässlich des Sieges über die Epidemie. Ein langer Kuss, der plötzlich endete und danach nur noch ein einziges Mal erwähnt wurde.
Theresa – mittlerweile zum Oberstleutnant befördert und wahrscheinlich ebenfalls ein Dorn in Hausers Auge – spricht zu den Anwesenden. »Die Saudis haben den Erreger schon am Achtundzwanzigsten in einem der Kerosintanks nachgewiesen, diese Information jedoch erst einmal für sich behalten, um keine Panik auszulösen. Sie hofften, das Problem eindämmen zu können. Hier sehen Sie Nanobakterien, die kleinsten uns bekannten Lebewesen, es handelt sich um eine Kolonie, 35000fach vergrößert.«
Gerard setzt sich auf den einzigen freien Stuhl, der an dem langen T-förmigen Konferenztisch am weitesten von Staatssekretär Ames entfernt steht. Neben Ames sitzt Hauser, dessen Blick zu Gerard wandert. Die Beleuchtung ist ausgeschaltet. Weitere Krisenstabberater – ebenfalls in Zivil – starren auf den Bildschirm.
»Verdammt, kann es denn so ein winziges Lebewesen überhaupt geben?«, fragt der Vertreter der Gesundheitsbehörde, ein hagerer ehemaliger Marine mit angehender Glatze namens Bob Haskell.
Colonel Novak zuckt die Achseln. »Na ja, bis Louis Pasteur unter seinem Mikroskop Bakterien entdeckt hat, dachte man schon dasselbe.«
Was jetzt auf dem Bildschirm zu sehen ist, erinnert Gerard an eine Science-Fiction-Landschaft aus einem Comic. Lange, wogende, grünlich durchscheinende Stäbchen – zylindrische Formen wie sich windende entlaubte Bäume – erheben sich aus einer wulstigen,
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