Black Monday
gallertartigen Oberfläche, die aussieht wie Hunderte miteinander verschmolzener Fischaugen oder Fruchtblasen.
»Ich dachte immer, Öl fressende Bakterien seien sympathische Zeitgenossen, die Ölpfützen beseitigen«, bemerkt der FBI-Vertreter am Tisch. Mark Wallach ist Antiterrorismus-Experte, der die Attentate in Oklahoma City und auf das World Trade Center bearbeitet hat, ein jugendlicher, sportlicher Exanwalt, dem Gerard spontan vertraut.
»Bis jetzt traf das ja auch zu«, erwidert Novak.
Gerard denkt: Ich jedenfalls hab so was noch nie gesehen.
Die Bakterienkolonie bebt. Die außerirdische Landschaft schäumt einen Moment lang rosafarben und wird verschwommen. Eine brodelnde speichelähnliche Substanz hat das Grün ersetzt. Dann nimmt das Bild wieder Form an und wird erneut grün. Die Stäbchen sind länger geworden. Die Oberfläche erscheint größer. Gerard entdeckt kleine, schwarze, rautenförmige Umrisse in der Oberfläche, manche einzeln, andere zu vielen auf einem Haufen.
»Sie vermehren sich schneller als Ebola-Viren«, sagt Theresa in ihrem tiefen, unbewusst lasziven Tonfall. Gerard sieht sie vor seinem geistigen Auge in Gesichtsmaske und Handschuhen vor sich, wie sie sich in der Quarantänestation des Armeekrankenhauses über einen Soldaten mit hohem Fieber beugt. Dann morgens um drei in einem Lazarettlabor über ein Mikroskop. Im nächsten Moment sieht er ihre umwerfende Erscheinung in einem knappen schwarzen Bikini am Pool des Militärstützpunkts vor sich, nach dem Sieg über die Epidemie. Er erinnert sich, wie sie seine Hand im Café am Flughafen Manila nahm und meinte: »Du hast recht. Ich bin froh, dass wir nicht weitergegangen sind, Greg. Die Versuchung beschert einem schöne Erinnerungen. Aber Selbstdisziplin ist nicht von Dauer.«
Jetzt, auf dem Bildschirm, wandert ihr Blick kurz nach links, als hätte sie Gerard entdeckt. »Unsere kleinen Freunde hier fressen sich durch raffiniertes Öl in einer Petrischale. Die Saudis vermuten, dass es sich bei den rautenförmigen Kristallen um Ausscheidungen handelt, die den Kraftstoff, die Kraftstoffleitungen oder auch Motoren zerstören. Ein Phänomen, das man tatsächlich schon bei Bakterien in Herzschrittmachern und industriellen Pipelines beobachtet hat. Die Kollegen in Riad sind gerade mit den Untersuchungen beschäftigt.«
Sie seufzt. »Aber im Moment können wir nur Vermutungen anstellen und Tests durchführen. Wie schlimm ist es? Welche Ausmaße hat es?«
Die Anspannung im Raum lässt sich an der Reglosigkeit ablesen, mit der die Anwesenden dasitzen, sich nur hin und wieder die Stirn abwischen und an ihrem Wasser nippen. Die Kunstwerke an den Wänden, Darstellungen zur Geschichte der biologischen Kriegsführung, die Ames hat aufhängen lassen, um das Team zu motivieren, tragen auch nicht gerade zur Aufheiterung bei.
Athener in Delphi zeigt griechische Soldaten, die den Fluss Pleistos in die Stadt Kirrha umleiten und Nieswurzsporen hineinschütten, um die Einwohner der Stadt zu vergiften.
Auf dem nächsten Bild, Mongolen, ist zu sehen, wie die Mongolen bei ihrem Angriff auf die Stadt Kaffa im Jahre 1346 Pestleichen auf Katapulte spannen und über die Stadtmauer schleudern.
Ein weiteres Gemälde zeigt japanische Wissenschaftler im Jahre 1938, die für den Abwurf über China bestimmte Schokolade mit Pesterregern präparieren, das nächste die Bombardierung von Saddam Husseins Biowaffen-Labor in Bagdad während des zweiten Golfkriegs.
Bis heute ist der Raum nur dazu genutzt worden, zusammen bei Kaffee und Bagels Strategien zu entwickeln. Was machen wir bei einem Anschlag mit Anthraxsporen, die in die Lüftungskanäle von UN-Gebäuden oder der New Yorker U-Bahn eingeleitet werden? Was ist, wenn Terroristen mit Hilfe eines Privatflugzeugs Erreger über dem Mittelwesten abwerfen? Wie schaffen wir die Opfer in die Krankenhäuser? Wie lassen sich ganze Städte unter Quarantäne stellen?
Mit keinem dieser Leute habe ich bisher in einem realen Notfall zusammengearbeitet, denkt Gerard, außer mit Theresa.
Nach Novaks Erklärungen ergreift Staatssekretär Ames das Wort. »Soso, die Saudis glauben also, es handelt sich um Ausscheidungen?« Er scheint die Saudis für unfähig zu analytischem Denken zu halten, für Neandertaler, die in Mikroskope glotzen und nicht recht wissen, ob sie sie zerstören oder anbeten sollen.
Alle Augen sind auf Ames gerichtet, einen energiegeladenen, breitschultrigen Mann von fünfzig Jahren, der über die Shelby Energy
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