Black Monday
bevor am vergangenen Abend der Strom ausfiel. Der diensthabende General ließ die dieselbetriebenen Stromgeneratoren abschalten, um den Kraftstoff für den Fuhrpark zu sparen.
Gerard und Raines haben die Nacht bei Kerzenlicht in einem Doppelzimmer des Soldatentrakts verbracht. Ihr Abendessen bestand aus einer kalten Pizza aus dem Gefrierschrank.
Um acht Uhr wurde der Strom wieder eingeschaltet.
Gerard staunt über die Größe des Hauptlabors. Ein Dutzend Wissenschaftler und ihre Assistenten sind an hell erleuchteten Arbeitsplätzen mit der Sequenzierung von DNA-Strukturen beschäftigt, arbeiten an Elektronenmikroskopen und Computern oder beraten sich telefonisch mit Kollegen in anderen Labors.
KEINE UNIFORMEN IN ÖFFENTLICHEN GASTSTÄTTEN, besagt ein Schild.
Als Gerard seinen Teller mit dem Egg McMuffin und den kalten Kaffee an Theresas Arbeitsplatz abstellt, erkennt er Teile von Theresas transportablem Labor wieder, das sie schon beim Katastropheneinsatz auf den Philippinen benutzt hat: ein Geno/Grinder 2000, ein kleiner weißer Kasten, der Bruchstücke der DNA zerstückelt, ausliest und das Ergebnis zusammensetzt; ein Multitube Vortexer, ein Mischgerät, bei dem der Inhalt von mehreren Teströhrchen durch Schütteln gemischt wird; eine kleine Gefriertrocknungskammer und ein Microtiter Plate Incubator zur Vermehrung der DNA. Und dazu eine Maschine, die die DNA mit fluoreszierender Farbe markiert.
Außerdem entdeckt er eine schwarze PCR-Einheit von der Größe eines Schuhkartons, mit dem sich Teile der DNA von mikrobischen Proben extrahieren und einzelne Sequenzen reproduzieren lassen, um millionenfache Kopien erstellen zu können, die man analysieren, testen und dechiffrieren kann.
»Diese Probe«, erklärt Theresa mit Blick auf den Computerbildschirm, auf dem eine dunkle Masse zu sehen ist, in der ein halbes Dutzend der vertrauten Stäbchen an die Oberfläche schwimmt, »stammt aus einer infizierten Raffinerie in New Jersey. Sie wurde isoliert und in nicht befallenes Rohöl gegeben. Wir sehen den Zustand nach sechs Stunden Wachstum.«
Klick.
Eine dichte Masse schäumender Stäbchen füllt den Bildschirm aus.
»Sehen Sie sich den Unterschied an. Bei dieser Probe wurde eine Bakterie in raffiniertes Öl eingeführt. Ein enormes Wachstumstempo«, sagt sie mit belegter Stimme. »Aus einer Bakterie werden innerhalb von vierundzwanzig Stunden zwanzig Millionen.«
»Das heißt, irgendetwas im Rohöl verlangsamt das Wachstum. Raffiniertes Öl ist für die Bakterie leichter zu verdauen.«
»Zweitens«, sagt Theresa, die schwarzen Augen vor Entsetzen und Aufregung geweitet, »wollte Os Preston wissen, wie die Bakterie die Hitze übersteht. Sehen Sie mal, was geschieht, wenn wir infiziertes Rohöl in einem Autoklav erhitzen.«
Wie im Zeitraffer lässt sich auf dem Bildschirm die Veränderung der Stäbchen verfolgen: Sie werden dunkel, rechteckig, undurchdringlich. Wie kleine Kapseln.
»Sporenbildung«, sagt Gerard mit heiserer Stimme, während er die Bildung der Schutzhülle beobachtet.
Ihre Schultern berühren sich. Raines taucht hinter ihnen auf.
»Die Transformation setzt ein, sobald die Temperatur 65 Grad Celsius erreicht«, erklärt Theresa. »Wie Sie wissen, benötigen sporenbildende Bakterien normalerweise Stunden, um sich zu verändern. Aber Delta …« Sie drückt auf eine Taste. Gerard erkennt keine Stäbchenformen mehr, nur noch dunkle Kugeln, wo zuvor die Stäbchen waren.
»Weniger als dreißig Sekunden«, sagt sie fassungslos.
Verschiedene Bakterienarten, die Gerard erforscht hat, bilden unter lebensfeindlichen Bedingungen Sporen. Botulismus-, Tetanus- und Anthrax-Bakterien werden ebenso passiv, bis die feindlichen Bedingungen vorüber sind.
Danach werden sie wieder tödlich.
Sporen sind die zähesten Lebensformen auf der Erde. Sie können tausend Jahre lang untätig verharren und dann durch den Kontakt mit Feuchtigkeit, zum Beispiel mit dem Speichel auf der Zunge eines Schweins, oder durch eine winzige Temperaturschwankung reaktiviert werden. Gerard runzelt die Stirn. »Mir sind keine Sporen bekannt, die eine Temperatur von 540 Grad Celsius überleben. Die Bakterie Clostridium botulinum, die für Botulismus verantwortlich ist, kann eine Stunde in kochendem Wasser überleben und die Anthraxspore sogar eine Explosion, allerdings nur einige Sekunden lang. Was zum Teufel ist das für ein Organismus?«
Theresas Hand berührt zufällig seine, als sie die Maus bewegt.
Klick. Auf dem Bildschirm
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