Black Monday
Haus zu sehen. Unten auf der Straße tragen Arbeiter Kisten aus Bürogebäuden und schleppen andere hinein. Lastwagen werden beladen. Was auch immer dort vor sich geht, es muss so wichtig sein, dass dafür Kraftstoff zur Verfügung steht. Normale Firmen räumen ihre Büroetagen, offenbar damit Behördenmitarbeiter dort einziehen können.
Sie errichten eine Wagenburg, wie in den alten Wildwestfilmen.
»Hassan, haben Sie irgendetwas gehört über eine neue Raffinerie in Ak-Darya in Usbekistan, die vor sechs Monaten aufgrund von Problemen bereits vor ihrer Inbetriebnahme stillgelegt wurde?«
»Warum? War sie von Delta-3 infiziert?«
»Hassan, haben der Imam oder der Anrufer irgendetwas von einer Tankstelle erwähnt, die im Mai in Djakarta explodiert ist?«
»Wollen Sie damit sagen, dass dort die Bakterien getestet wurden?«
Weder beantworten sie jemals seine Fragen noch weiß er Antworten auf ihre.
Hassan sagt zu seinem alten Professor: »Für heute reicht es mir.«
Zwanzig Minuten später, unterwegs zu seinem Hotel, sieht er, wie ein Mann vom Weltbankgebäude springt. Selbstmord ist an der Tagesordnung. Männer können ihre Familien nicht mehr ernähren. Hassan steht in der Menge und betrachtet den zerschmetterten Schädel, die schlaffen Glieder, die Blutlache auf dem Gehweg. Der Mann, dessen grauer Anzug zerrissen ist, könnte in Hassans Alter gewesen sein, vielleicht ein Anwalt oder ein höherer Angestellter. Die Schmerzen in Hassans Brust werden wieder stärker. Er eilt zum Mayflower Hotel, fährt mit dem Aufzug nach oben, öffnet die Tür seines Zimmers und denkt: Was ist das für ein Gestank?
»Hallo? Ich bin wieder da!«
Niemand ist zu sehen. Die Kinderbetten sind gemacht. Das Doppelbett ebenfalls.
Sie müssen spazieren gegangen sein. Sie langweilen sich. Vielleicht haben sie auch den Gestank nicht ausgehalten. Es stinkt, als wäre irgendetwas Totes in den Wänden. Ich werde bei der Rezeption anrufen.
Dazu kommt er nicht mehr.
Irgendetwas Gummiartiges wird ihm auf den Mund gedrückt.
Im Spiegel gegenüber sieht er, dass der Mann hinter ihm schlank, gut aussehend und weiß ist.
Ein extremer Schmerz durchfährt ihn und wird noch schlimmer.
»Sie erzählen mir jetzt, worüber die Sie befragt haben«, kommandiert der Mann. »Sie erzählen mir ganz genau, was die wissen.«
Gerard wurde beim FBI abgewiesen. Ebenso bei der Washington Post. Nicht einmal den Leiter des Senate Energy Committee hat er erreicht. Man hat ihn diskret übersehen in den schwach besetzten, überarbeiteten Instituten, bei Thinktanks, in den Vorzimmern der Beraterstäbe. Nicht wesentlich anders erging es ihm bei einer stellvertretenden Vizeministerin von Homeland Security, die er schließlich in einem Aufzug erwischen konnte.
»Wer genau hat Sie zu mir geschickt?«, hat sie nur kühl gefragt.
Jetzt lauscht er über die Kopfhörer seines iPod den Nachrichten, während er mit Annie in der U-Bahn zum Zoo fährt.
»Plünderer in Los Angeles erschossen«, hört er. »In Los Angeles ist das Kriegsrecht in Kraft getreten.«
»Gestern ging es den Gepardenbabys schon wieder besser«, erzählt Annie.
»Weil jemand Nettes wie du sich um sie kümmert«, erwidert er. Es ist verrückt, hierherzukommen, aber der Zoo ist das Einzige, womit sich Annie beruhigen lässt. Die Fahrten zum Zoo sind ihre Belohnung dafür, dass sie sich um die kleineren Kinder in St. Paul's kümmert, ihnen vorliest und mit ihnen spielt.
Zumindest kann ich meiner Tochter eine Freude machen, denkt Gerard.
»Diese Meldung ist soeben hereingekommen«, hört er. »CIA-Mitarbeiter haben bestätigt, dass dem Mann, der heute Morgen zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern im Mayflower Hotel getötet wurde, eine Schlüsselrolle bei den Delta-Ermittlungen zukam.«
O Gott. Die ganze Familie.
»Der kleine Hatari ist der Süßeste von allen«, sagt Annie.
Gerards »Heimaturlaub« ist bald vorüber. Er wird nach Fort Detrick zurückkehren müssen, an diesen nutzlosen Ort, wo er nichts erreichen kann, wo er nicht einmal etwas für seine Familie und Freunde tun kann. Die Temperaturen sind gesunken, selbst in der U-Bahn. Annie und er tragen dicke Parkas, Wollmützen und Handschuhe. Der Nachrichtensprecher erklärt soeben, dass die Morde im Mayflower Hotel genau dasselbe Muster aufwiesen wie die Morde an der Familie des FBI-Mitarbeiters Anfang November. Auch diesmal sei bei den Leichen ein Zitat aus dem Koran gefunden worden. »Allah ändert die Lage eines Volkes nicht,
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