Black Monday
seinen bulligen Helfer, der sie zu einem Ford-SUV trägt. Mehrere Stangen Zigaretten – die eingebildete Rettung für Nikotinsüchtige – wechseln den Besitzer für einen Ehering. Eine alte Münzsammlung wird gegen Insulin, Aspirin, Ibuprofen und Nasenspray getauscht.
Gail Hansen bietet eins der kleineren Bilder aus ihrer Galerie für zwei Flaschen Wodka an. Sie hat sich geweigert, ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Tauschpool des Marion-Street-Blocks beizusteuern.
»Mit meinen Sachen mache ich, was ich will«, lautete ihre Begründung.
Natürlich ist auch Gordon Dubbs mit seinen beiden Kumpanen da. Sie schlendern nur durch die Reihen, offensichtlich nicht daran interessiert, etwas zu kaufen oder zu verkaufen, scheinen jedoch genau zu registrieren, wer mit wertvolleren Dingen im Gepäck nach Hause geht. Bei den dreien kann Gerard keinerlei Mangelsymptome entdecken, die ihm bei den meisten anderen Menschen hier ins Auge stechen: verlangsamte Bewegungen, ausgebeulte Kleidung, stumpfe Blicke, erste Krankheitsanzeichen.
Sie müssen über genügend Lebensmittel verfügen. Sie beobachten, wohin die Leute gehen.
Bei Dubbs' Anblick verkrampft sich Gerards Magen auf vertraute Weise, wie damals, wenn er als Jugendlicher auf die Mitglieder einer feindlichen Gang traf.
»Verkauft vielleicht jemand sauberen Sprit?« Der gut gekleidete Mann geht herum, offensichtlich wohlhabend, energiegeladen und zufrieden, seinen menschlichen Wachhund im Schlepptau. »Verkauft jemand Heizöl? Für Heizöl zahle ich einen Spitzenpreis! Sagen Sie mir, was Sie dafür haben wollen!«
Die Bewohner der Marion Street haben per Abstimmung eine Aufgabenverteilung beschlossen. Bob Cantoni ist mit dem Schutz der Straße betraut. Les, der Fernsehproduzent, soll die Schichteinteilung, Beschaffungstouren und Versorgungsplanung organisieren. Marisa wird sich mit Lehrern aus dem Viertel zusammentun und sich auf die Kinder konzentrieren. Sie wollen dafür sorgen, dass sowohl in ihrem Block als auch in der Kirche, auf die Chris Van Horne die für die Marion Street getroffenen Schutzmaßnahmen ausdehnen will, geregelter Unterricht stattfindet. Alice wird sich um die Zubereitung der Mahlzeiten kümmern, während Gerard die medizinische Versorgung in die Hand nimmt. Richter Holmes übernimmt den Vorsitz für das »Rechtskomitee«, das Konflikte zwischen den Nachbarn schlichten soll. Die Klines werden alle Nachrichten im Fernsehen und die Blogs im Internet verfolgen und täglich Zusammenfassungen präsentieren. Und Joe Holmes soll ermitteln, wie sich durch das Abdichten von Fenstern und die Beschränkung auf möglichst wenige Zimmer der Heizölverbrauch noch weiter einschränken lässt.
Um vierzehn Uhr sitzen Gerard, Bob und Joe eingezwängt auf dem Vordersitz von Bobs Suburban, unterwegs auf Diebestour zum sieben Kilometer entfernten Takoma Park. Die Sonne steht hoch. Die Temperatur liegt bei angenehmen, für die Jahreszeit ungewöhnlichen zehn Grad über null. Überall am Bordstein liegt Müll herum. Die Ampeln sind abgeschaltet. Jeden Tag wagen sich weniger Leute mit ihren Privatautos auf die Straße, und das auch nur um die Mittagszeit, wenn der Verkehr sicher ist.
»Ich fass es nicht, dass du uns nichts von deinen Heizölvorräten erzählt hast«, fährt Bob Joe an.
»Ich wollte mir erst ganz sicher sein, dass wir das Öl wirklich brauchen. Normalerweise bestehle ich meine eigene Firma nicht. Rein rechtlich gesehen ist das, was wir vorhaben, Plünderung.«
»Wollen wir hoffen, dass uns nicht ein anderer aus deiner Firma zuvorgekommen ist.«
Gerard beruhigt Joe. »Wenn diese Krise vorüber ist, werden wir das Öl zurückgeben.«
»Eleanor meint, das behaupten alle Diebe.«
»Deine Frau ist keine Richterin, Bob.«
»Jede Ehefrau ist eine Richterin.«
Da derzeit der einzige Zweck von Autofahrten darin besteht, Dinge zu besorgen, läuft jeder, der sich auf die Straße wagt, Gefahr, in einen Hinterhalt zu geraten. Die Autofahrer vermeiden jeden Blickkontakt. Sie halten nicht an Stoppschildern, das wäre viel zu gefährlich. In allen Wagen sitzen mehrere Personen, meist auf die eine oder andere Art bewaffnet, mit Pistolen, Baseball- oder Golfschlägern, Tränengas.
»Greg, als du damals in deiner Gang warst, habt ihr doch bestimmt jede Menge Zeug geklaut, oder?«, fragt Joe, während er einen kurzen Blick auf die vier leeren schwarzen Ölfässer im Laderaum wirft, die er von einer seiner Baustellen geholt hat.
»Am liebsten habe ich Motorräder
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