Black Monday
geklaut. Aber wenn du das Paulo erzählst, dreh ich dir den Hals um.«
»Gables Glen« – Joes Bauprojekt – ist ein Pflegeheim, das Ende Oktober hätte fertiggestellt sein sollen. Das zweistöckige Backsteingebäude befindet sich auf einem bewaldeten Grundstück nicht weit von der Piney Branch Road. Hinter einem Stacheldrahtzaun schlängelt sich eine lange Auffahrt an einem Wachhäuschen vorbei zum Eingang. Das Wachhäuschen ist leer. Am Hauptgebäude sind die Fenster eingeschlagen. Als sie ankommen, bemerkt Gerard, dass Plünderer die Wände mit Farbe besprüht haben. In Washington können sich selbst Vandalen politische Parolen nicht verkneifen.
Delta-3 ist eine geheime Biowaffe, die aus irgendeinem Labor entwischt ist.
»Wir haben die Öltanks schon im September aufgefüllt«, sagt Joe mit Blick auf die Verwüstungen. »Sav-Mor hat uns einen hervorragenden Preis gemacht.«
Sie parken vor der eingeschlagenen Tür am Hintereingang und lauschen erst einmal, ob sich jemand im Innern des Gebäudes aufhält. Der Strom ist abgeschaltet. Hoffnungsvoll und zugleich ängstlich steigen sie mit ihren Taschenlampen in den dunklen Keller hinunter. Ratten huschen über den Boden. Gerards Pulsschlag beschleunigt sich, als er undeutlich den Öltank in der Ecke entdeckt, rund wie der Bauch eines Elefanten.
Joe richtet den Strahl seiner Taschenlampe auf die Ölstandsanzeige. »Gott sei Dank! Er ist noch voll!«
»Lasst uns das schnell hinter uns bringen«, sagt Gerard, dem die Enge des Kellers Unbehagen bereitet, denn er weiß, dass immer noch – wenn auch selten – Polizisten auf Streife unterwegs sind, und wer sich beim Plündern erwischen lässt, wird sofort verhaftet.
Joe und Bob schaffen das erste leere Ölfass auf einer Sackkarre herbei. Sie führen einen Schlauch vom Tank in das Fass und lassen das Öl hineinströmen. Zwanzig Minuten später sind alle vier Fässer gefüllt und die Männer fahren vom Gelände. Der Suburban riecht nach Öl. Joe grinst zufrieden, als hätten sie die Kronjuwelen gestohlen. Bob blickt ständig in den Rückspiegel, als rechnete er jeden Augenblick damit, dass ein Streifenwagen auftaucht, aber Gerard ermahnt ihn, langsam zu fahren. In der Marion Street angekommen, schieben sie den Suburban in Les Higueras Garten hinter dem Haus, wo bereits Nachbarn warten, um beim Entladen zu helfen. Mit dem Öl können sie ihre Tanks auffüllen, und was übrig ist, soll in Julies derzeit unbewohntem Eckhaus gelagert werden.
Bis neunzehn Uhr haben sie mehr als 7500 Liter Heizöl in die Marion Street geschafft.
»Dann können wir ja jetzt alle wieder in unsere eigenen Häuser zurückkehren«, schlägt Gail Hansen am späten Abend bei der Bewohnerversammlung in Gerards Haus freudestrahlend vor.
»Es ist klüger, Energie zu sparen und weiterhin die Häuser gemeinsam zu nutzen.«
Gail ist betrunken. »Ich schlafe jedenfalls in meinem eigenen Bett. In meinem Haus. Mit meinen Sachen. Ihr seid hier nicht der Kongress. Ihr seid auch nur normale Leute.«
Es wird beschlossen, zwanzig Prozent des Öls an die Kirche zu spenden.
»Jetzt werden wir es den ganzen Winter warm haben«, freut sich Paulo. »Und dieser fiese Teddie Dubbs kann sich den Arsch abfrieren!«
Den Kindern wird eingeschärft, niemandem davon zu erzählen, dass die Marion Street über zusätzliches Öl verfügt, eine Warnung, die bei Gail überhaupt nicht ankommt.
»Wenn wir genug haben, um es zu spenden, dann haben wir auch genug, um damit zu handeln«, sagt sie und hält ihr Whiskeyglas hoch. »Leute, entspannt euch. Wir machen eine Party, und zwar eine richtig große. Wir können Öl gegen Wodka tauschen. Wir haben noch jede Menge übrig!«
Als die Versammlung beendet ist, bleiben die Cantonis und die Higueras noch, um Pictionary zu spielen und sich die Nachrichten anzusehen. Die russische Regierung wurde gestürzt. Ein iranischer Mullah ruft zum heiligen Krieg auf: »Allah hat das Öl verseucht, und es wird so lange verseucht bleiben, bis wir die Welt in Ordnung gebracht haben.«
»Gail wird allmählich zum Problem«, bemerkt Bob.
»Sie ist einfach leicht erregbar«, sagt Marisa.
»Sie ist Alkoholikerin.«
Zumindest ist der Thermostat auf angenehme neunzehn Grad Celsius eingestellt, was für Gerard allein schon Grund genug zum Feiern ist.
»Hitze«, schnurrt Marisa später lasziv, als sie und Gerard sich lieben und für eine Stunde das Thema Öl vergessen.
Wärme war für mich immer etwas Selbstverständliches, denkt Gerard beim
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