Black Monday
nächste Gen. Wenn nicht, haben wir den Übeltäter gefunden.«
»Ich nehme an, bisher hatten Sie kein Glück.«
»Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.«
Am nächsten Labortisch betrachtet eine Frau einen Computerbildschirm, auf dem Gerard vergrößerte Aufnahmen einer schäumenden Masse von Bakterien sieht. Unter der Linse des Mikroskops ist ein viereckiges Stück durchsichtiges Plastik fixiert, auf dem etwas zu erkennen ist, was aussieht wie grünlicher Staub.
»Ein Microarray«, bemerkt Gerard. »So haben Experten den Anthraxstamm in den Sporen identifiziert, die in Briefen in den Kongress geschickt wurden.«
»Richtig. Wir fixieren eine ganze Batterie von Genen auf einem Chip, zerstückelte DNA, die wir großer Hitze und Raffinierungschemikalien aussetzen. Falls es zu Sporenbildung kommt, haben wir das Gen gefunden.«
Dr. Varunisakera seufzt. »Sporenbildende Bakterien leben normalerweise im Erdreich, nicht im Öl. Und bisher habe ich noch nie von einer gehört, die Öl zersetzt.«
»Sie leisten hier gute Arbeit«, sagt Gerard.
»Dr. Gerard, meine größte Angst ist, dass wir das Bindeglied übersehen, selbst wenn es direkt vor unserer Nase auftaucht. Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Sporenbildung nicht von einem einzelnen Gen verursacht wird, sondern von mehreren, die zusammenwirken. Und was ist, wenn wir die Kombination übersehen? Es kommt häufig vor, dass Gene nicht isoliert funktionieren. In der Natur wachsen Bakterien auch nicht in Monokulturen, sondern in komplexen Nahrungsnetzwerken. Es gibt so viele Fragen, dass es einen in den Wahnsinn treibt! Wenn Delta-3 den Raffinierungsprozess überlebt hat, wie gelingt es ihm, weiterzuleben, wenn die anderen Mikroben in diesem Netzwerk abgetötet sind?«
Varunisakera ordnet eine Pause an, damit Gerard Blutproben entnehmen und mit den Laboranten über die »Möglichkeit« diskutieren kann, dass Delta-3 auf Menschen übergesprungen sein könnte. Hat irgendjemand in den vergangenen Monaten die Wanderröte gehabt, will er wissen, oder von starken Schmerzen begleitetes Fieber? Dr. Varunisakera verteilt Kopien von Gerards erfundenem Symptom-Fragebogen und bittet seine Mitarbeiter, die Bögen am nächsten Morgen ausgefüllt mitzubringen.
Aber die Leute machen sich sofort über die Fragebögen her. Mit nichts lassen sich Menschen so leicht ablenken wie mit der Angst vor Ansteckung. Dass er damit die Arbeit an Delta-3 unterbricht, macht Gerard ein schlechtes Gewissen.
Cougar hätte viel intensiver überprüft werden müssen, denkt er.
Aber er denkt auch: Die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand auf Antworten stößt, ist größer, als wenn ich danach suchen würde. Seltsam. Diese Leute funktionieren wie normale Bakterien, in einer interaktiven Gemeinschaft. Und ich hin wie Delta-3. Ich arbeite allein.
Ein großer, bärtiger Wissenschaftler hebt eine Hand. »Diese Symptome erinnern an Borreliose. Meine Schwester in Connecticut leidet daran.«
Tja, es handelt sich tatsächlich um Borreliose-Symptome, denkt Gerard. Als er sich die Fragen ausgedacht hat, hat er sich an Borreliose orientiert.
Eine junge Frau mit vorzeitig ergrauten Strähnen in den schwarzen Haaren fragt: »Wo genau sind denn Menschen erkrankt?«
Anhand der roten Lämpchen, die auf dem »Kriegsmonitor« blinken, improvisiert Gerard seine Antwort. »Bisher in Sri Lanka … in Indonesien …«
General Hauser ist ein Idiot. An der Überprüfung der Cougar-Labors hätte von Anfang an ein Mikrobiologe beteiligt sein müssen.
Plötzlich hat Gerard wieder die Bilder von der Schießerei in der Stadt vor Augen, von dem Fahrer, der auf dem heißen Asphalt verblutete. Ihm fallen wieder die menschenleeren Hotels ein, und er versucht zu begreifen, warum er den Fahrer gebeten hat anzuhalten.
Einen Moment lang fühlt er sich völlig entmutigt.
Was ist, wenn Hauser doch recht hat und Terroristen das Problem sind? Was, wenn ich ein egomaner Scheißkerl bin, der lieber zu Hause hätte bleiben sollen, um seine Familie und seine Freunde zu beschützen, wie Hauser sich ausgedrückt hat?
»Es ist schon spät. Wir machen für heute Feierabend und setzen unsere Arbeit morgen fort«, verkündet Dr. Varunisakera.
»Oh, ich bin nicht müde«, entgegnet Gerard.
»Meiner Erfahrung nach, Dr. Gerard, arbeitet ein erschöpftes Forscherteam nicht effizient. Außerdem meinten Sie doch selbst, es bestehe kein Grund zur Eile.«
»Richtig«, sagt Gerard mit einem Seitenblick auf die Uhr.
2.
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