Black Monday
Reden wir lieber darüber.«
»Diese Berichte sind falsch. Die bei der Ausgabestelle dachten, wir hätten unsere Lebensmittel bereits in Empfang genommen. Aber das stimmte nicht. Meine Kinder hatten Hunger. Und die Nachbarn. Ich konnte nicht mit leeren Händen da weggehen. Also habe ich meinen Dienstausweis vorgelegt. Aber ist es Plünderung, wenn man die zugeteilten Lebensmittel verlangt? Ich habe nur so viel mitgenommen, wie uns zustand. Wenn ich hätte stehlen wollen, hätte ich doch gleich mehr mitgenommen, nicht wahr?«
Evander schaut ihn müde an.
Die Wärterin steckt den Kopf zur Tür herein. »Es ist Zeit.«
Unterwegs sagt Evander: »Es hat tatsächlich Pannen gegeben bei der Lebensmittelzuteilung. Aber ich muss Sie warnen, Commander, die Richter sind allergisch gegen Ausreden. Wir haben hier dreitausend Gefangene und nicht genug Lebensmittel für alle. Falls Sie sich also irgendwas Geringfügiges haben zuschulden kommen lassen, geben Sie's zu, wenn wir da reingehen. Benehmen Sie sich respektvoll, egal was passiert. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Sie am Leben bleiben. Und erwähnen Sie nichts von diesen Proben. Wenn die das Gefühl kriegen, dass Sie sie verarschen wollen, ist die Sache gelaufen.«
»Sie glauben mir also?«
Evander weicht der Frage aus und sagt lediglich: »Ich weiß, ich sehe zum Kotzen aus, aber ich bin gut. Doch ohne Vorbereitungszeit kann ich keine Fakten überprüfen oder Zeugen aufrufen.«
Sie betreten den Konferenzsaal, wo drei düster dreinblickende Offiziere sitzen, über ihnen noch weitere Sportfotos.
Evander sagt zu Gerard: »Das läuft hier ganz anders als bei Lehrprozessen an der Uni. Glauben Sie an Gott, Commander? Falls ja, kann ich Ihnen nur raten zu beten.«
Der Major auf der rechten Seite wirkt verständnisvoll, der Captain in der Mitte feindselig, und der Gesichtsausdruck des Majors auf der linken Seite ist wegen seines nervösen Augenzuckens schwer zu lesen.
Die Verhandlung dauert jetzt schon vierzig Minuten, und es läuft genau so, wie Evander es vorausgesagt hat. Gerard hat seine Geschichte erzählt und Fragen beantwortet. Er hat zugegeben, in Las Vegas seinen Dienstausweis missbraucht zu haben.
Obwohl Evander heftig den Kopf schüttelte, hat er die Proben erwähnt.
Für einen Mann, der keine Zeit hatte, sich vorzubereiten, hat Evander den Vorwurf der Plünderung geschickt in Frage gestellt, denkt Gerard.
»Das Gericht zieht sich zur Urteilsfindung zurück.«
Gerard sitzt im Korridor und nippt dankbar an einem Glas lauwarmem Wasser, während Evander die Wartezeit nutzt, um in seinem Zimmer den nächsten Fall in Angriff zu nehmen.
Eine Stimme in Gerards Kopf, die Stimme von Dr. Larch, sagt: »Nichts darf einen davon abhalten, Feldforschung zu betreiben.«
Es ist, als säße Larch neben ihm, als könnte er sogar dessen Geruch wahrnehmen, diese Mischung aus nasser Wolle und Borkum-Riff-Tabak. Und als redete er auf ihn ein.
»Erinnern Sie sich an die Namen, die ich Ihnen beigebracht habe? An all die Helden? Doug Cruise hat Feldforschung betrieben und den Träger für Kryptosporidien gefunden, die Parasiten, die über Trinkwasser verbreitet werden. DeVries hat die E. coli-Bakterien isoliert und zahllosen Kindern das Leben gerettet. Alles Forscher, die in abgelegene Dörfer gegangen sind und ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um einen ganz speziellen Mikroorganismus zu finden, der zufällig an dem Tag aus dem Versteck kam. Denken Sie zum Beispiel an Ruth Berkelman.«
»Die Geschichte erzählen Sie mir jedes Mal.«
»Das werde ich auch in Zukunft tun. In einem Krankenhaus in Michigan starben reihenweise Kinder an postoperativen Infektionen. Da die Ärzte von allen, die bei den Operationen zugegen waren, Abstriche aus Nase und Rachen genommen und nichts gefunden hatten, gingen die Betreiber des Krankenhauses davon aus, dass alle Mitarbeiter sauber waren. Aber Ruth Berkelman hat noch einmal gründlichere Abstriche gesammelt und herausgefunden, dass sich die Bakterien in Anus und Vagina einer Krankenschwester befanden.«
»Sie hat sie übertragen«, erinnert sich Greg.
»Die Krankenhausverwaltung behauptete, die Schwester sei nie mit Patienten oder chirurgischen Instrumenten in Kontakt gekommen, deswegen könne sie unmöglich die Überträgerin sein.«
»Aber Ruth hat das Gegenteil bewiesen.«
»Sie bat die Schwester, sich leichte Schuhe anzuziehen, stellte in einem Kreis um sie herum Petrischalen mit sterilen Kulturen auf und bat die
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