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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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mal nach Hause fahren, ja? Wir sind alle erschöpft. Wir brauchen Schlaf. Danach ist noch genug Zeit zum Reden.«
    Dad schwieg.
    Mum sah ihn einen Moment lang an, dann drehte sie sich in ihrem Sitz um und lächelte mir zu. »Du musst doch Hunger haben.«
    »Nicht wirklich.«
    »Schinken und Ei, wie klingt das?«
    »Brutzelig.«
    Sie lächelte.
    Ich lehnte mich in den Sitz zurück und schaute aus dem Fenster.

    Ich hatte mir das, was ich als Nächstes tat, nicht bewusst vorgenommen, und wenn ich bedenke, was Dad mir gerade erzählt hatte – über die Angst, die sie meinetwegen hatten ausstehen müssen –, würde ich am liebsten glauben, dass sich das Ganze völlig unbewusst abspielte. Aber vielleicht sind das nur Ausreden. Vielleicht versuche ich bloß, mir vorzumachen, ich hätte keine Kontrolle über meine Handlungen gehabt.
    Ich weiß es nicht.
    Doch als der Wagen vor unserem Haus hielt und Dad den Motor ausstellte, hörte ich mich plötzlich sagen: »Ich muss |420| noch mal weg. Tut mir wirklich leid, aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Ich
muss
nur einfach wohin.«
    Und als Mum und Dad sich umdrehten, die Gesichter bleich vor Fassungslosigkeit, öffnete ich die Wagentür, stieg aus und rannte los.

    Als ich die Hythe Street hinablief und in den Fußweg verschwand, war ich mir meiner selbst völlig bewusst – ich spürte, wie meine Füße auf den Boden schlugen, ich fühlte den Luftstrom auf meinem Gesicht, ich hörte Mum und Dad hinter mir herrufen, die Stimmen angespannt, voller Schock und Verzweiflung... und als ich auf eine Mülltonne sprang und über die Mauer in den alten Friedhof kletterte, wusste ich genau, was ich tat. Ich hörte jetzt Dad die Straße hinablaufen, mir in den Fußweg folgen und schreien, ich solle zurückkommen ...
    Aber ich war schon fort.
    Mein Bewusstsein gehörte nicht mehr mir.
    Ich konnte nicht mehr zurück.
    Ich musste weiterlaufen – aus dem Friedhof hinaus, die St Leonard’s Road entlang, runter in Richtung Hafen –, ich musste dorthin, wo ich eben hinmusste. Ich musste zurück an den Anfang und den Schlüssel für das Ende finden.

    Ich weiß nicht, wie lange ich brauchte, um zum Drecksweg zu kommen, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die ganze Zeit rannte, und als ich schließlich ankam, keuchte ich so heftig und schwitzte so stark, dass ich spüren konnte, wie mein Körper aus den Schuhen quoll. Meine Beine taten weh, meine Arme taten weh... ich sog so viel Luft ein, dass ich mich wie betrunken fühlte. Ich spürte, wie der Sauerstoff in meinem |421| Kopf herumschwirrte und mich schwindlig machte, und ich glaubte schon, ich müsste mich übergeben. Aber komischerweise störte mich das Gefühl der Übelkeit nicht. Es schien okay... es war einfach ein merkwürdig schwebendes Gefühl, als ob etwas Weiches in meinem Magen schwappte. Wie eine kleine Wolke aus einem wohltuenden Gas.
    Deshalb blieb ich, als ich die Stelle des Wegs erreichte, wo der Trampelpfad zur Hütte hinaufgeht, nicht stehen, um wieder zu Atem zu kommen, sondern lief einfach weiter – kletterte die Böschung hoch, an dem Baumstumpf vorbei, durch das Gestrüpp, den überwucherten Pfad hinauf... bis ich endlich wieder zurück an der Hütte war. Zurückgekehrt an den Ort, wo alles begonnen hatte. Zurück bei den Brombeerzweigen, den Holzbrettern, dem verblichenen blauen Dach...
    Zurück in welcher Zeit?, fragte ich mich. Wann hatte
wirklich
alles begonnen?
    Vor vier Tagen?
    Vor vier Jahren?
    Vor vier
Freunden
?
    Als ich zur Hütte hinüberkletterte und durch die Tür hineinkroch, fragte ich mich, ob es darum ging bei dem Ganzen. Um Freunde. Leute, die du kennst. Leute, von denen du
glaubst
, sie einmal gekannt zu haben, was aber wahrscheinlich nie stimmte. Wahrscheinlich kanntest du nur einen Ausschnitt von ihnen, den Teil, der dein Freund war. Und den Rest, die Teile von ihnen, die du nicht kanntest – die schäbigen Teile, die unwahren Teile, die Teile, die du jetzt wahrnimmst –, na ja, damals hast du sie eben ignoriert. Aber jetzt kannst du das nicht mehr. Denn jetzt siehst du alles und weißt, »damals« war keine wunderbare, unschuldige Zeit. Es |422| war einfach nur eine Zeit und ein Ort, so wie jede andere Zeit und jeder andere Ort. Der einzige Unterschied ist, dass die Dinge – die Leute –, die zu der alten Zeit, dem alten Ort gehörten, jetzt nicht mehr hier sind, und was nicht mehr hier ist, kann auch nicht mehr wehtun. Das Einzige, was wehtut, ist das, was gerade jetzt, in

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