Black Rabbit Summer
weh...
Er liegt auf den Knien, den Kopf im Dreck, er jault und stöhnt... und er hört sie lachen. Eric und Wes, Stella... sie lacht ihn aus, und er weiß jetzt, dass sie sich die ganze Zeit nur über ihn lustig gemacht hat.
»Geschieht ihm recht, diesem dreckigen kleinen Scheißkerl«, hört er sie sagen.
»Nicht schlecht«, sagt Wes bewundernd. »Was hast du gemacht – ihn an den Eiern gepackt?«
»Nein, nur ein kleiner Schnipp«, sagt Stella. »So in etwa...«
Pauly schaut durch die Tränen hoch und sieht sie mit ihrem Daumen schnippen und es wirkt so banal, nur eine kleine Bewegung des Daumens... als ob er mehr nicht wert wäre. Und während er beobachtet, wie sie sich von ihm entfernt – als ob er ein Nichts wäre, ein Nichts, das man auslacht, dem man in die Eier schnippt –, merkt er, dass sie noch nicht mal mehr über ihn lacht. Sie hat ihn schon vergessen. Er ist es nicht mal wert, dass sie ihn länger als ein paar Sekunden auslacht. Und das ist es, was Pauly aus der Fassung bringt.
In seinem Kopf wird alles schwarz, der Schmerz ist ausgeblendet.
Er setzt sich auf.
Sein Blut ist heiß, es explodiert in seinen Adern.
|448| Keine Gedanken.
Er kommt auf die Füße, schwankt ein bisschen und schaut hinüber zu Stella. Sie geht in Zeitlupe, ihr Körper umgeben von einem Lichtschimmer. Ihre Beine sind wie rohes Fleisch, das im Schaufenster eines Schlachterladens hängt. Ihr Haar ist ein Nest zuschnappender gelber Schlangen.
Pauly läuft auf sie zu.
Jemand brüllt: »Nein!«
Stella dreht sich um, sieht Pauly kommen, die Zähne gebleckt zu einem monströsen Grinsen. Sie tritt zurück, mit schockiertem Blick. Sie verliert das Gleichgewicht, stolpert leicht und jetzt ist Pauly fast über ihr. Ein unheimlicher brüllender Laut entfährt seiner Kehle und er hebt die Hand... dann ist Eric da, kracht in ihn hinein, schließt seine Arme um ihn, zerrt ihn von Stella weg. Aber Pauly ist außer Kontrolle, seine Kraft aufgeputscht durch Wahnsinn und Drogen, und mit einer brutalen Drehung seines Körpers reißt er sich aus Erics Griff los, packt ihn an den Schultern und stößt ihn gewaltsam fort. Eric taumelt rückwärts, rudert wie wild mit den Armen in dem Versuch, auf den Beinen zu bleiben, doch er sieht nicht, wohin er tritt. Er merkt nicht, wohin seine Füße ihn tragen. Er weiß nicht, dass Stella direkt hinter ihm ist und versucht ihm auszuweichen. Er hört, wie sie aufschreit, aber noch während er über die Schulter schaut, um zu sehen, wo sie ist, verliert er das Gleichgewicht. Und im Fallen peitscht sein rechter Arm herum und erwischt Stella voll im Gesicht. Sie taumelt zurück, schlägt die Hände vors Gesicht und dann passiert es – sie stolpert über etwas oder vielleicht erwischt sie mit dem Fuß ein Loch im Boden oder tritt auf einen losen Ziegel... niemand weiß es genau. Ihre Beine fliegen plötzlich unter ihr weg, und als sie heftig auf |449| den Boden schlägt, kracht ihr Kopf dumpf gegen einen schweren, rostigen Eisenträger.
Stille.
Niemand rührt sich.
Pauly, Eric, Wes. Alle starren sie nur an, warten darauf, dass sie sich aufsetzt. Warten darauf, dass sie stöhnt oder anfängt zu heulen. Oder sich herumdreht und flucht...
Irgendwas.
Aber nichts geschieht.
Sie liegt nur da, tot im Dreck.
|450| Achtundzwanzig
W ährend Pauly dasaß und mir das Ganze erzählte, schien alles an ihm zu schrumpfen und zu verkümmern: Seine Stimme wurde schwächer, seine Augen trübten sich, seine Schultern sackten nach unten... sogar sein Atem wurde flacher. Als er ans Ende der Geschichte kam, war so gut wie nichts mehr von ihm übrig. Er saß nur da und starrte leer zu Boden, von allen Gefühlsregungen verlassen.
»Wer hatte die Idee, Stellas Leiche im Fluss zu versenken?«, fragte ich ihn.
»Hä?«
»Ihre Leiche... wie ist sie im Fluss gelandet?«
Er sah langsam zu mir auf. »Im Fluss?«
»Ja... ihr habt doch die Leiche in den Wagen gelegt und zum Fluss gefahren, oder nicht?«
Pauly nickte. »Hat dir das Eric erzählt?«
»Vergiss, was Eric erzählt hat –«
»Hat er gesagt, ich war’s?«
»Was?«
»Hat er gesagt, ich hätte Stella gestoßen? Ich weiß, dass er das gesagt hat. Er ist ein Lügner, ich war das nicht –«
Für einen Moment starrte mich Pauly wütend an, dann, ganz plötzlich, wurde sein Gesicht wieder leer. »Wes hatte |451| die Idee«, sagte er matt. »Er hat gemeint, wenn wir ihr die Sachen ausziehen, sieht es nach einem Sexualmörder aus. Eric hat es gemacht. Er hat
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