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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Bewegung. Auf die Böschung zu, den Pfad hinauf, wieder durch Brombeergestrüpp ... die ganze Zeit mit dem schwer atmenden Campbell dicht hinter mir.
    Ich folgte Eric.
    Ins Unterholz.
    Zwischen den Bäumen hindurch.
    Schwitzend und stolpernd...
    Rutschend und den Halt verlierend...
    Es lag etwas entfernt Vertrautes über dem Pfad und dem ganzen Waldstück, irgendetwas rief eine Erinnerung |467| wach... ein Gefühl, eine kindliche Angst, eine erregte Erwartung. Vielleicht war es auch nur das Gefühl selbst, das vertraut war? Es war schwer zu sagen, aber ich hatte immer mehr den Eindruck, dass das hier der Pfad war, auf dem ich als Dreizehnjähriger eines Tages Nicole zu der alten Fabrik hinauf gefolgt war, an dem Tag, an dem uns mein Dad zusammen erwischt hatte und völlig ausgerastet war...
    Aber vielleicht war es auch ein anderer Pfad.
    Vielleicht bildete ich mir das nur ein.
    Wir hatten jetzt das Ende der Böschung erreicht und ich sah die alte Fabrik vor uns liegen. Vor dem hohen Metallzaun gab es einen schmalen ebenerdigen Streifen, der die Böschung von der Fabrik trennte, und als wir alle drei einen Augenblick stehen blieben, um kurz zu verschnaufen, bemerkte ich eine Lücke im Zaun. Jemand hatte den Maschendraht durchgeschnitten. Das Loch war unauffällig und von weiter weg nicht zu sehen, doch es war groß genug, um sich durchzuzwängen. Als ich dastand – schwitzend und keuchend – und durch den Zaun auf die alte Fabrik starrte, ertappte ich mich bei dem Versuch, mich zu erinnern, in welchem Gebäude ich mit Nicole vor so langer Zeit wohl gewesen war... doch es gab nichts, was die Erinnerung zurückbrachte. Wahrscheinlich war ich damals zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, um wahrzunehmen,
wohin
wir gingen. Es war ein Gebäude, das war das Einzige, was damals gezählt hatte. Ein Ort für uns, wo wir allein sein konnten. Meinetwegen hätte es genauso gut ein knallroter Wohnblock sein können...
    Aber ich sah jetzt keine knallroten Blocks. Ich sah nur baufällige Werkshallen und Bürotrakte, stillgelegte Maschinen, Schornsteine und Türme, marode Lagerhallen... einen betonierten |468| Platz, einen Haufen alte Autoreifen... und drüben, links von mir, ein Wirrwarr farbloser Gemäuer mit verrosteten Blechdächern...
    Ich brauchte nicht weiter nachzudenken, wohin wir gingen.

    »Nach dir«, sagte Campbell und schob mich zur Tür des verlassenen Gebäudes.
    Einen Moment lang sah ich ihn an, dann öffnete ich die Tür und ging hinein. Es sah dort ziemlich genauso aus, wie Pauly es beschrieben hatte – vernagelte Fenster, verrostete Büromöbel, überall auf dem Boden Müll. Campbell packte mich am Arm und führte mich zur gegenüberliegenden Seite des Raums. Wir blieben vor dem Regalteil aus Metall stehen, von dem Pauly erzählt hatte.
    »Zieh’s vor«, forderte mich Campbell auf.
    Ich packte das Regalteil und zog es von der Wand. Campbell fischte eine Taschenlampe aus seiner Hose und leuchtete in den Keller hinab.
    »Alles okay?«, fragte ihn Eric.
    Er nickte und wandte sich zu mir um. »Runter mit dir.«
    Als ich in den Keller hinabstieg, sah ich, dass Pauly auch in dieser Hinsicht nicht gelogen hatte. Es war alles genau, wie er es geschildert hatte – dreckiger Fußboden, abgestandene Luft, Ziegelwände, Maschinenteile, ein Haufen rostender Eisenträger. Hinter mir, am oberen Ende der Treppe, hörte ich Eric das Regalteil wieder vorziehen. Als es dumpf gegen die Wand schlug, wurde der Keller auf einmal dunkler.
    »Geh da rüber«, sagte Campbell und schob mich grob in Richtung der Eisenträger.
    Obwohl Campbell die Taschenlampe jetzt von mir weghielt, |469| war der Keller nicht völlig dunkel. Ein schmaler Streifen Sonnenlicht drang durch ein kleines Lüftungsgitter am oberen Ende der einen Wand, und als ich erschöpft über den schmutzigen Boden tappte, konnte ich gut genug sehen, wohin ich trat. Ich blieb neben dem Haufen Eisenträger stehen.
    »Hinsetzen«, sagte Campbell.
    Ich setzte mich auf den erstbesten Eisenträger und schaute zu Boden. Ich sah einen matten roten Fleck zu meinen Füßen. Er war bogenförmig wie ein schartiger Halbmond und nur für einen kurzen Moment sah ich Stella dort liegen, ihren aufgeschlagenen Schädel, die starren toten Augen, ihr perfektes blondes Haar blutverklebt...
    Ich hob den Kopf und sah hinüber zu Eric und Campbell. Sie standen an die gegenüberliegende Wand gelehnt und unterhielten sich leise. Eric rauchte eine Zigarette, während ihm Campbell

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