Black Rabbit Summer
alle in ihrem T K-Maxx -Gangsta-Outfit – schmuddelig weißen Trackpants, XX L-Basketball -Shirts, Ketten, Ringen, strahlend weißen Nikes. Campbell stand neben Pauly und wirkte genauso einschüchternd wie immer. Kantiges Gesicht, scharf geschnitten und hager, schmale dunkle Augen, leicht nach unten gebogener Mund, hohe Stirn, darüber das kurz rasierte schwarze Haar. Er hatte sich kein bisschen verändert. |54| In seinem kurzärmeligen Hemd und der fleckenlosen weißen Jeans sah er aus wie ein krankes Model aus dem Katalog.
Als wir vor ihnen stehen blieben, behielt ich Pauly im Auge. Er hatte eine zerknautschte Plastiktüte in der Hand, in der sich offenbar eine Flasche verbarg, also war er wohl auf dem Weg zur Hütte. Aber was machte er dann hier bei Campbell?
»Alles klar?«, sagte er aufgekratzt und grinste von mir zu Raymond. »Wie läuft’s so?«
Ich nickte ihm zu und sprach ganz ruhig. »Hi, Pauly.«
Er lächelte Raymond an. »Alles okay, Rabbit?«
Raymond versteifte bei dem Namen, sagte aber nichts. Er hatte sich schon lange an die Spitznamen gewöhnt – Rabbit, Bunny Boy, Geistesblitz –, doch er hatte Pauly nie verziehen, dass er das Ganze losgetreten hatte. Ich auch nicht. Alle hatten immer gewusst, dass Raymond ein bisschen komisch war, aber seit er vor ein paar Jahren Pauly die Sache mit Black Rabbit anvertraut und Pauly sie sofort überall rumgetratscht hatte... na ja, seitdem galt Raymond als völlig durchgeknallt.
»Super Einstieg, Pauly«, murmelte ich.
Er grinste mich zögernd an. »Was ist?«
»Hast du Eric und Nic schon gesehen?«, fragte ich ihn.
»Bin gerade auf dem Weg«, antwortete er und warf einen verstohlenen Blick zu Campbell.
»Wohin geht ihr?«, fragte ihn Campbell.
Pauly grinste in seine Richtung. »Was?«
Campbell starrte ihn einen Moment an, dann schaute er rüber zu mir. »Wohin geht ihr, Boland?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Nirgendwohin...«
|55| »Nirgendwohin?«
»Auf die Kirmes.«
Campbell sagte nichts, sondern starrte mich nur weiter an. Er hatte Augen, die sich in einen hineinbohrten, dass man innerlich erstarrte. Ich sah, erleichtert und schuldbewusst zugleich, wie er seine Aufmerksamkeit nun Raymond zuwandte.
»So«, sagte er zu ihm. »Und wo glotzt
du
hin?«
Raymond stand nur da, unfähig zu sprechen.
Campbell starrte ihn an »Was ist los mit dir? Irgendwas mit deinem Kopf nicht in Ordnung?«
Pauly kicherte.
Campbell richtete seinen starrenden Blick jetzt auf ihn. »Was ist?«
»Nichts«, sagte Pauly und grinste nervös. »Ich hab nur –«
»Der Arsch ist krank, Gilpin. Das ist nicht
lustig
.«
Pauly zögerte einen Moment und ließ den Blick hin und her springen, während er herauszufinden versuchte, ob Campbell einen Witz machte oder nicht. Als er merkte, dass niemand sonst lachte, schaute er wieder zu Campbell und grinste erneut. »Was ist?«, fragte er naiv und zuckte die Schultern. »Ich hab nichts weiter
gesagt
. Ich wollte nur, verstehst du... ich meine, Raymond ist okay. Ich hab nur...«
Seine Stimme verlor sich, als Campbell sich von ihm abwandte und mich ansah. »Was meinst
du
, Boland?«, fragte er und deutete mit dem Kinn Richtung Raymond. »Glaubst du, er ist richtig im Kopf?«
»Was geht das dich an?«, hörte ich mich sagen.
Campbell lächelte, was mich überraschte. Das Lächeln war echt, ohne versteckte Drohung, und für einen Moment sah ich einen völlig anderen Wes Campbell – harmlos, |56| freundlich... geradezu charismatisch.
»Du hast ihn gern, wie?«, sagte er zu mir.
»Was ist?«
»Den Bunny Boy da... hast du ihn gern?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ob ich ihn gernhatte? Hatte ich ihn
gern
? Ich meine, was war das für eine Frage?
Campbell sah Pauly an. »Er hat ihn gern.«
Pauly grinste verlegen. Sein Mund zuckte, während er überlegte, was er sagen könnte, doch es kam nichts. Er warf mir einen kurzen Blick zu, dann schaute er sich schnell wieder zu Campbell um. Dessen Lächeln war jetzt verschwunden. Er starrte Pauly völlig emotionslos an.
»Freunde«, sagte er leise.
Pauly schaute finster. »Was ist?«
»Weißt du, was ein Freund ist, Gilpin?«
Pauly wusste nicht, ob er lachen sollte oder nicht. Er schaute wieder ängstlich umher und suchte nach irgendeinem Hinweis, was er tun sollte, doch die Greenwell-Jungs hatten genauso leere Augen wie vorher und von Raymond oder mir konnte er keine Hilfe erwarten. Er blinzelte ein paar Mal schnell, leckte sich nervös die Lippen, dann wandte
Weitere Kostenlose Bücher