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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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noch da«, sagte ich.
    Raymond sah mich an. »Wieso nicht?«
    »Keine Ahnung... Vielleicht hat sie ja jemand kaputt gemacht oder was.«
    »Sie ist da.«
    |51| »Woher weißt du das?«
    Raymond zuckte die Schultern. »Tu ich nicht... ich mein ja nur, dass sie
wahrscheinlich
da ist.«
    Ich sah ihn an. Sein Gesicht wirkte blass.
    »Ist das alles okay für dich hier?«, fragte ich.
    »Ja... glaub schon.«
    »Es ist noch früh genug, um deine Meinung zu ändern, verstehst du?«
    Eine Weile sagte er nichts, schweigend gingen wir weiter. Das war mir nur recht. Ich war schon lange nicht mehr hier in der Gegend gewesen und es gefiel mir, mich einfach nur umzuschauen, mich zu erinnern, wie das Ganze früher mal war. Merkwürdig, wie vertraut alles wirkte. Der Weg selbst, noch immer von Fahrradspuren durchzogen. Die Böschung zur Rechten, dunkel durch die Bäume. Und zur Linken noch eine steile Böschung, die auf ein leeres Gelände aus Beton und Unkraut führte, das sich bis zum Hafen erstreckte. Am anderen Ende dieses Brachfelds schimmerten die riesigen rostigen Zylinder zweier schäbiger Gastürme matt in der Sonne.
    »Der Stern geht heute Abend aus«, sagte Raymond leise.
    Ich starrte ihn an. »Was ist?«
    Er schaute mit blassen, glasigen Augen zu mir her. »Black Rabbit«, flüsterte er. »Das hat er heute Nachmittag gesagt –
der Stern geht heute Abend aus

    »Was denn für ein Stern?«
    Raymond blinzelte und auf einmal schien es, als würden seine Augen wieder klar. Ein, zwei Sekunden wirkte er wie verloren, doch dann blinzelte er noch einmal, sah mich an und sein ganzes Gesicht brach in ein Grinsen aus.
    »Was ist?«, fragte er. »Was guckst du so?«
    |52| Ich runzelte die Stirn. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja... wieso?«
    »Nichts... ich wollte nur sehen... Raymond?«
    Während ich mit ihm sprach, veränderten sich seine Augen erneut, doch diesmal waren sie nicht blass und glasig, sondern blickten starr geradeaus, blind vor Angst.
    »Raymond?«, fragte ich noch mal.
    »Du hast gesagt, er wär nicht hier...«
    »Wer?«
    »Du hast gesagt...«
    Einen Moment dachte ich, er redete wieder von Black Rabbit, doch als ich den Kopf wandte und seinem Blick folgte, verstand ich plötzlich, was er meinte. Ungefähr zwanzig Meter vor uns hingen vier oder fünf Jugendliche rum, dort wo ein kleiner Pfad vom Drecksweg abzweigt und hinab auf das Brachfeld führt. Zuerst erkannte ich nur einen – Pauly Gilpin. Doch als ich meine Augen abschirmte und noch einmal hinsah, stellte ich fest, dass der Junge neben Pauly Wes Campbell war.
    »Alles in Ordnung, Raymond«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen.«
    »Du hast gesagt, er ist nicht hier.«
    »Ja, ich weiß... aber er tut nichts.« Ich lächelte Raymond an und versuchte ihn zu beruhigen. »Komm schon«, sagte ich, »geh einfach weiter. Alles wird gut.«
    Es war kein besonders vertrauenerweckendes Lächeln und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Raymond davon nicht täuschen ließ, doch wir gingen trotzdem weiter. Keiner von uns
wollte
es, aber die einzige andere Möglichkeit war, umzukehren und wegzulaufen, und das wirkte irgendwie noch beängstigender, als
nicht
wegzulaufen.
    |53| »Sie haben uns gesehen«, sagte Raymond.
    »Ich weiß.«
    Ich erkannte jetzt, dass es fünf waren: Pauly, Campbell und drei Typen aus der Greenwell-Siedlung, die so richtig nach schweren Jungs aussahen. Pauly war hyperaktiv wie eh und je – er hampelte herum, wedelte mit den Armen und grinste dabei wie ein Irrer –, doch an dem nervösen Ausdruck in seinem Gesicht sah ich, dass ihm die Situation nicht ganz geheuer war. Es wirkte, als ob er nicht wüsste, wohin er schauen sollte. Auf mich und Raymond? Oder auf Campbell und die andern? Seine Augen sprangen hin und her wie Flipperkugeln. Campbell und die andern drei hatten dagegen keinen Zweifel. Sie standen alle bloß da, knallhart, und fixierten Raymond und mich mit eiskaltem Blick.
    Mein Herz wummerte, als wir näher kamen, und ich überlegte, ob ich genauso eingeschüchtert aussah, wie ich mich fühlte. Oder noch schlimmer: ob ich mich genauso eingeschüchtert fühlte, wie Raymond aussah. Er sah nämlich furchtbar aus – aus dem Gesicht war alle Farbe gewichen, die Augen waren starr, die Haut angespannt.
Nichts hat sich geändert
, dachte ich.
Er ist noch immer der kleine Junge, der sich auf dem Fahrrad vor Angst in die Hose macht...
    Wir hatten die Abzweigung jetzt fast erreicht. Die drei Greenwell-Typen lungerten irgendwie im Hintergrund rum,

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