Black Rain: Thriller (German Edition)
dazu, sich zu beschweren oder seine Unschuld zu beteuern. Zuletzt versetzte ihm Verhoven einen Tritt in die Rippen, was seinem Gejammer für den Rest der Nacht ein Ende machte.
Bei den anderen forderten der Stress und die Nacht allmählich ihren Tribut. Ihr Verstand begann ihnen Streiche zu spielen. Sie sahen Dinge, die nicht existierten, hörten Geräusche, wo keine waren. Ihr Gemütszustand schlug rasant von einem Extrem ins andere um. McCarter sank in einem Augenblick in abgrundtiefe Verzweiflung und wünschte nur noch, es möge so oder so zu Ende gehen, um wenige Minuten später über die Absurdität des Ganzen zu lachen. Die anderen erlebten ähnliche Zustände.
Und dann wurde alles noch schlimmer.
In der letzten Stunde vor Morgengrauen machte sich ein weiteres Geräusch bemerkbar, der hohle, rhythmische Sprechgesang von in den Bäumen versteckten Männern. Die Chollokwan waren zurückgekehrt.
Nicht lange, und sie sahen Feuer zwischen den Bäumen züngeln, und Rauch erfüllte erneut die Lichtung.
Doch dieses Mal schufen die Chollokwan nicht eine Feuersbrunst wie zuvor. Sie legten hier und da ein Feuer, scharten sich zu Gruppen zusammen und sangen und brüllten erneut. Ihre Stimmen klangen zornig und drohend. Sie verhöhnten die Überlebenden und erinnerten sie vor allen Dingen an etwas, an das sich niemand erinnern wollte: Sie waren gewarnt worden.
Neununddreißigstes Kapitel
Als der Morgen graute, ebbten die Gesänge der Chollokwan ab, und sie zogen sich mit dem Morgennebel in den Wald zurück. Doch diesmal brachte die Sonne kein Gefühl der Sicherheit oder Erlösung, keine falsche Erleichterung, sondern nur die nackte Erkenntnis, wie schlimm es wirklich um sie stand.
Zu Hunderten lagen Patronenhülsen zwischen ausgebrannten Leuchtfeuern über das Gelände verstreut, wie Zigarettenkippen nach einer Versammlung starker Raucher. Die Steinhaufen, die sie aufgeschichtet hatten, ragten wie Schutt zwischen den zugespitzten Stahlstreben auf. Die Zelte, in denen sie einmal geschlafen hatten, waren nur noch Nylonfetzen, die schlaff an den verbogenen Gerüsten hingen. Und weiter draußen brannten die Kerosinfässer, stießen dichten, öligen Rauch aus und verpesteten die Luft mit beißenden Dämpfen.
Im harten Morgenlicht zeigte sich die Lichtung als das, was sie war, ein Ödland, ein Friedhof, ein bösartiger Fleck mitten im Paradies, wo nichts lebte und nichts wuchs. Wie die Nuree beteuert hatten, war es ein Ort, den das Leben selbst verstoßen hatte.
Dennoch nutzten die Überlebenden die Pause, um sich zu erholen und zu schlafen. Sie dösten abwechselnd, die geladenen Waffen neben sich, und warteten darauf, dass die nächste Phase begann, auch wenn sie irgendwie hofften, sie würde ausbleiben. Sie hatten kaum zwölf Stunden hinter sich, und die meisten fragten sich, wie um alles in der Welt sie weitere sechzig überstehen sollten.
Mittags wechselte die Schicht, und Hawker löste Verhoven als Wache ab.
»Zeit für eine Pause«, sagte Hawker.
»Mhm«, erwiderte Verhoven und sicherte seine Waffe.
Verhoven war kein Mann, der zum Grübeln neigte; in seiner Welt waren Dinge, wie sie eben waren, aber Hawker spürte, dass ihn etwas beschäftigte.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte er.
»Ich habe die Munition gezählt«, sagte Verhoven. »Noch eine Nacht wie die letzte, und wir sitzen auf dem Trockenen, bevor die Sonne aufgeht.«
Hawker hatte noch keine Zeit für eine Inventur gehabt, aber sein Eindruck war der gleiche. Wenn die Tiere weiter so angriffen, würde dies ein Abnutzungskrieg werden, den die Menschen nicht gewinnen konnten. »Wir müssen sparsamer mit dem umgehen, was wir noch haben«, sagte er.
»Sie ballern wie die Wilden, Hawk«, sagte Verhoven. »Selbst Danielle, die verdammt gut schießt, verbraucht zu viel Munition. Und die anderen agieren jenseits von Gut und Böse.«
»Sie haben Angst«, sagte Hawker. »Heute Nacht wird es schon ein bisschen besser sein.«
Verhoven senkte kurz den Blick, ehe er Hawker wieder ansah. »Wenn nicht, nehme ich ihnen die Waffen ab. Ist mir egal, was sie sagen. Dann schießen nur noch du und ich, niemand sonst.«
Hawker zögerte. Er bezweifelte, dass Danielle ihre Waffe abgeben würde, aber die anderen würden es einsehen. Er nickte, und Verhoven drehte sich um und marschierte davon.
Einige Minuten später kam Danielle mit ihrem Medizinkoffer in der Hand zu ihm.
»Ich hoffe, du willst mich nur untersuchen«, sagte Hawker.
»Selbst wenn ich es wollte«,
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