Black Rose
beim Dinner, als die Black Rose bereits
wieder Kurs nach San Francisco genommen hatte und die Frage aufkam, ob es irgendeine
andere Yacht gebe, die sich mit ihr messen könne, erkundigte sich Morrison nach
dem Kapitän. Doch der Name Mustafa Nastasis ließ alle Gespräche verstummen.
Wendell Clark unterbrach schließlich das peinliche
Schweigen.
»Da gibt es wirklich nicht viel zu wissen«, erklärte er und
zwang sich zu einem Lächeln. »Ich glaube, er gehört zum Inventar.« Zur allgemeinen
Erleichterung wechselte er schnell das Thema, indem er auf die Planung für die
nächsten gemeinsamen Wochenenden zu sprechen kam.
Dass ausgerechnet Clark, der noch am Vortag keinerlei
Hemmungen gezeigt hatte, hinter Nelson St. James’ Rücken offen irgendwelche
Vermutungen über ihn zu äußern, sich bei Nastasis so bedeckt hielt, kam
Morrison äußerst seltsam vor. Es gab nicht viele Dinge, die einen Menschen so
auf der Hut sein ließen. Bei all den Gerüchten über St. James’ Verbindungen zu
illegalen Geschäftemachern – einige davon zuletzt von Wendell Clark persönlich
wiederholt – hatte der Anwalt nicht einen Augenblick in Erwägung gezogen, dass
auch Gewalt eine Rolle spielen konnte. Womit sich die Frage stellte: Was für
Geschäfte betrieb Nelson St. James wirklich?
Doch Morrison beschäftigte sich nicht lange mit dieser
Frage. Als er am nächsten Morgen, einem dunstig-feuchten Montag, wieder an
seinem Schreibtisch saß und versuchte, sich auf einen neuen Prozess
vorzubereiten, war die einzige Erinnerung an das vergangene Wochenende, die
seine Gedanken nicht losließ, die an Danielle. Zum ersten Mal in seiner
Karriere als Strafverteidiger fühlte er sich gelangweilt von seiner Arbeit. Ihm
kam es vor, als würde er zum x-ten Mal das Gleiche machen, als er eine
einleitende Erklärung formulierte, die er mittlerweile schon im Schlaf hätte
herunterbeten können. Er starrte aus dem Fenster auf die von dichten Nebelschwaden
umhüllte Golden Gate Bridge und dachte an jenen letzten Blick, diesen letzten
sehnsuchtsvollen Gruß, den er freilich nicht wirklich gesehen hatte.
Schließlich musste er über seine Eitelkeit lachen und schalt sich einen
Dummkopf.
Wahrscheinlich war er für Danielle St. James nur ein kurzer
Flirt gewesen und nicht mehr; abgesehen davon war sie eine verheiratete Frau
und schon allein deshalb tabu für ihn, und zwar für alle Zeiten. Und doch … Schon
der bloße Gedanke an sie und daran, wie sie ausgesehen, wie sie sich angefühlt
hatte … Es war besser, nicht an das zu denken, was er nicht haben konnte. Er
machte sich wieder an die Arbeit.
Doch es dauerte nicht lange, und seine Gedanken
verselbständigten sich erneut. Danielle war die schönste Frau, die er je
gesehen hatte, aber sie war dennoch nicht der Typ Frau, der einen Mann zum
Besessenen machte und alles andere vergessen ließ. Morrison war nie in seinem
Leben wirklich verliebt gewesen – dazu war er immer viel zu sehr mit seiner
Arbeit beschäftigt gewesen –, doch jetzt wusste er, dass er es hätte sein
können, wenn die Umstände es erlaubt hätten. Darin lag ein gewisser Trost, so
etwas wie Sicherheit.
Je näher der Prozesstermin heranrückte, umso härter
arbeitete er und umso weniger dachte er an andere Dinge. Danielle St. James hatte
er völlig aus seinem Kopf verbannt. Als am Abend vor der Verhandlung ein
unangemeldeter Besucher sein Büro betrat, war der Anwalt so in seine Akten
versunken, dass er mit dem Namen des Fremden nicht gleich etwas anfangen
konnte.
»Es geht um Nelson St. James«, wiederholte dieser und
setzte sich unaufgefordert auf den Stuhl vor Morrisons Schreibtisch.
Er trug einen dunkelblauen Anzug mit Krawatte und bewegte sich
mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der es sich zwar nicht zur Gewohnheit
gemacht hatte, aber ein gewisses Recht dazu empfand, in anderer Leute
Privatsphäre einzudringen. Das feine Netz von Fältchen um seine
zusammengekniffenen Augen verstärkte den Eindruck von unerbittlicher
Entschlossenheit, sich zu holen, worauf er aus war.
»Wer sind Sie? Wie sind Sie hier reingekommen?«
»Jack Taylor«, erwiderte der Fremde und griff in seine Innentasche,
um eine Visitenkarte herauszuziehen. »Justizministerium.«
Morrison lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ein Grinsen,
das alles und nichts besagen konnte, machte sich auf seinem Gesicht breit, als
er die Karte studierte. »Nelson St. James … Was ist mit ihm?«
»Sie haben ein paar Tage mit ihm zusammen verbracht.«
Die
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