Black Rose
Sie soeben erfahren
haben, ist nämlich absolut vertraulich. Und jetzt werde ich Ihnen etwas
erzählen, was noch vertraulicher ist: Clark und seine Frau wurden letzte Nacht
ermordet. Es sollte wie ein Einbruch aussehen, bei dem etwas aus dem Ruder
lief, aber wir wissen, dass dem nicht so ist. Clark sollte heute Morgen vor der
Anklagejury erscheinen.«
Ein besorgter Ausdruck trat auf Taylors Gesicht, als er
fortfuhr.
»Und da ist noch etwas: Wir haben ein Telefongespräch
abgehört; wir haben nicht viel verstanden, aber ein Teil von dem, was wir mitbekommen
haben, hat mit Ihnen zu tun.« Sein Blick hatte nun etwas Lauerndes. »Er hat mit
Ihnen nicht zufällig darüber gesprochen, dass Sie vielleicht sein Anwalt werden
sollten …. nichts in der Richtung?«
Morrison wollte ihm gerade sagen, das gehe ihn nichts an,
doch dann überlegte er es sich anders. Der Ausdruck in Taylors Augen hatte ihn
neugierig gemacht.
»Wenn er nicht mit Ihnen darüber gesprochen hat, ob Sie
sein Anwalt werden könnten, wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig.«
»Warum?« Morrison war jetzt ebenfalls aufgestanden. »Was
hat er genau gesagt?«
»›Verpflichte Morrison.‹ Das ist alles, was wir haben: ›Verpflichte
Morrison.‹ Was bedeutet das Ihrer Meinung nach?«
Morrison hatte keine Ahnung, was Nelson St. James bei
diesem teilweise abgehörten Telefonat gemeint haben konnte, und in Wahrheit war
ihm das auch gleichgültig. Er hatte einen anstrengenden Prozess vor sich, der
am nächsten Tag beginnen sollte, und nichts zählte für ihn im Augenblick mehr
als dieses Verfahren. Dennoch musste er unwillkürlich an Danielle und seine
Reaktion im Gespräch mit Taylor denken, an die merkwürdige Weise, wie er versucht
hatte, ihr zu helfen. Warum hatte er dem anderen nicht einfach erzählt, was er
wusste, und die Worte Wendell Clarks wiederholt? Er fühlte sich auf merkwürdige
Weise in die Angelegenheit verwickelt und zu einer Art Unehrlichkeit verdammt,
die er nicht recht verstand, und das alles nur wegen einer Frau, die er kaum
kannte. Was, wenn sie nicht so unschuldig war, wie er so bereitwillig, ja, so
eilfertig hatte annehmen wollen? St. James schien sich keine großen Illusionen
darüber zu machen, mit was für einer Art Frau er verheiratet war – warum wollte
er, Morrison, unbedingt so viel besser von ihr denken? Weil es ihm wie der
Verrat an einer Frau vorgekommen wäre, die ihm das Wissen um etwas Intimes aus
ihrem Leben anvertraut hatte?
Aus welchem Grund auch immer war Danielle St. James jetzt sein
Geheimnis; das einzige, das er hatte.
4
Andrew Morrison hatte keine Freunde, keine engen
Freunde, niemanden, bei dem er sich versucht fühlen konnte, etwas von dem
mitzuteilen, was ihn bewegte. Mit der Ausnahme eines gelegentlichen
Wochenendes, wie er es gerade auf der Black Rose verbracht hatte,
verließ er die Stadt nur selten und tat so gut wie nie etwas anderes als
arbeiten. Von Anfang an, seit er erstmalig als Strafverteidiger aufgetreten
war, hatte ihn nur der eine Gedanke beseelt, alles in seiner Macht Stehende zu
tun, um zu lernen, was er wissen musste. So hatte er auch den
Gerichtsstenographen kennen gelernt, jenen Mann, der mehr über ihn wusste als
irgendjemand sonst.
Wann immer Philip Conrad an das erste Mal dachte, als
Andrew Morrison ihn um die Abschrift eines Prozessprotokolls gebeten hatte,
musste er in sich hineinlächeln. Morrison hatte damals gerade einen Prozess
gewonnen, bei dem ihm niemand eine Chance eingeräumt hatte. In einem der
vernichtendsten Kreuzverhöre, die Conrad je erlebt hatte, hatte Morrison den
Hauptzeugen der Anklage so mühelos auseinander genommen, dass es am Ende fast so
aussah, als hätte der Zeuge nur darauf gewartet, den Geschworenen endlich
erzählen zu können, dass er dem Staatsanwalt einen einzigen Bären aufgebunden
hatte. Conrad konnte sich noch gut an seine Verwunderung erinnern, als er
erfahren hatte, dies sei erst der dritte oder vierte Prozess des jungen
Verteidigers Andrew Morrison gewesen.
»Wie viel wird das kosten?«, fragte Morrison, als er sein
Scheckheft hervorzog. »Ich weiß, Sie rechnen nach Seiten ab, aber wenn Sie mir
etwa die Höhe des Betrags nennen, könnte ich Ihnen jetzt etwas zahlen und den
Rest, wenn Sie fertig sind.«
Conrad blickte von seinem Schreibtisch hoch. Es war kein Wunder,
dass Geschworene Morrison mochten. Sein Gesicht war offen, ehrlich, intelligent
und zeigte nichts von der üblichen Verschlagenheit seiner Zunft. Morrison war
ein Mensch, dem man
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