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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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entdeckt hatte, schützen.
    »Das Geräusch kam von dem Duschvorhang, der sich im Wind bewegte und gegen die Wanne schlug. Becky muss das Fenster geöffnet haben – ich war mir ziemlich sicher, dass es vorher geschlossen war. Vielleicht hatte sie darüber nachgedacht, aus dem Fenster zu springen, allerdings hätte nicht einmal sie durch die kleine Öffnung gepasst. Dann fand sie aber wohl eine Rasierklinge im Spiegelschrank. Sie hat den Boden mit Handtüchern ausgelegt, damit das Blut nicht auf die Fliesen läuft. Du weißt, wie ordentlich sie immer ist …« Jay holte angestrengt Luft. Ich schlang den Arm um ihn und tätschelte beruhigend seinen Rücken, bis er wieder sprechen konnte. »Die Handtücher habe ich dann ganz fest um ihre Handgelenke gewickelt und sofort den Notarzt angerufen. Die Sanitäter sagten, eine halbe Stunde später wäre sie tot gewesen. Wenn ich nur daran denke, dass ich mich beinahe noch einmal umgedreht hätte, um weiterzuschlafen …«

    »Aber, Jay, das hast du nicht! Du bist aufgestanden und hast sie gerettet.« Ich wusste nicht, wie ich Jay erklären sollte, mit welchen Kräften er gerungen hatte, als er wach zu bleiben versuchte. Denn ich konnte es mir nur so erklären: Der Nebel, den Becky in die Wohnung gelassen hatte, musste sie dazu verleitet haben, sich das Leben zu nehmen, während er Jay so müde gemacht hatte, dass er nichts merkte. »Und es ist nicht deine Schuld, dass sie das getan hat …«
    »Es ist meine Schuld …« Die Stimme kam vom Bett. Jay und ich wandten den Kopf und sahen, dass Beckys Augen offen waren. Sie wirkten riesig in ihrem weißen Gesicht. »Es tut mir so leid …«
    »Es ist okay, Becky.« Ich setzte mich zu ihr auf die Bettkante und ergriff ihre Hand. Die Finger fühlten sich schlaff und kalt an. Die übergroßen Augen in dem blassen Gesicht erinnerten mich an Melusine, kurz bevor sie auf dem Felsen zerflossen war. Fest drückte ich Beckys Hand, als könnte ich so verhindern, dass sie mir ebenfalls entglitt. »Du hast nicht gewusst, was du tust.«
    Becky leckte sich die trockenen, gesprungenen Lippen. »Habe ich aber. Ich dachte einfach, es wäre der leichtere Weg … ich hatte es so satt, mich gegen so viele Widerstände durchzubeißen. Ich meine, wem wollte ich denn eigentlich was vormachen, wenn ich so tat, als würde mal ein Rockstar aus mir werden? Ich hätte Jura studieren sollen, so wie meine Mutter es immer wollte … Oh, Scheiße ! Ist meine Mutter hier? Weiß sie es schon?«
    »Sie ist auf dem Weg von Fort Lauderdale hierher«, sagte Jay. »Tut mir leid, Becky. Ich musste sie anrufen.«
    Tränen rollten Becky über die Wangen. Ich zog ein
Taschentuch aus der Spenderbox auf dem Nachttisch und tupfte sie ab. »Das wird sie umbringen. Was habe ich mir nur dabei gedacht?«
    »Du hast gar nicht gedacht, Süße. Du standest …« Unter einem Bann , hätte ich beinahe gesagt, aber ich beherrschte mich. »Du standest unter viel zu großem Druck. Du brauchst Ruhe … und ein bisschen Unterstützung … und dann wird es schon besser werden. Das verspreche ich.«
    Becky nickte, aber ihre Augen fielen ihr schon langsam wieder zu. Ich blieb bei ihr sitzen, hielt ihre Hand und versuchte darüber nachzudenken, wie ich dieses Versprechen wohl halten wollte.
     
    Den größten Teil des Vormittags blieb ich bei Becky und wechselte mich mit Jay dabei ab, über sie zu wachen. Als er mich ablöste, ging ich zu meinem Vater. Ich bekam einen Schreck, als ich in sein Zimmer trat und es leer vorfand, aber dann kam eine Schwester herein und erklärte, mein Vater und sein Freund seien in den Aufenthaltsraum gegangen. Ich eilte den Flur hinunter und fand Roman in einem Rollstuhl, wie er mit Zach und zwei Chinesinnen, die er mir als Minnie und Sue vorstellte, Bridge spielte. Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe und lächelte. Nachdem sie die Runde beendet hatten, nahm ich Zach beiseite und erzählte ihm von Becky.
    »Die Ärmste«, sagte Zach und schüttelte den Kopf. »Ich weiß, sie stand unter großem Druck.«
    »Tat sie das?«, fragte ich, fuhr aber gleich fort, ohne eine Antwort abzuwarten: »Ich weiß nicht, ob wir es Roman sagen sollten. Ich habe Angst, dass es ihn an Santés Selbstmord erinnern wird.« Im gleichen Augenblick wurde
mir klar, dass ich schon Zach gegenüber nichts davon hätte erwähnen sollen. Gerade bei ihm hatte ich immer gefürchtet, dass er Selbstmordgedanken hegte. Aber obwohl ihn die Ereignisse offenbar sehr traurig stimmten, blieb Zach

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