Black Swan - Silberner Fluch
Decke wie übergroße Wattestäbchen. Selbst ihr Haar, das normalerweise wie elektrisch geladen abstand, lag schlaff und tot auf der weißen Krankenhausbettwäsche.
Aber dann erkannte ich die zusammengesunkene Gestalt auf dem Stuhl neben dem Bett. Es war Jay. Als er mich sah, sprang er sofort auf – Jay, der normalerweise eher durchs Leben schlich, sprang auf und drückte mich an sich.
»Garet, Gott sei Dank. Ich hatte schon Angst, dir wäre auch etwas passiert.«
»Mir geht es gut. Ich habe mein Telefon verloren … und konnte gestern Nacht nicht mehr nach Hause kommen
… Verdammt, Jay! Was ist passiert? Wird sie durchkommen? Ist sie bewusstlos, seit …« Ich sah auf Beckys dick bandagierte Unterarme. Die Verbände reichten bis zu ihren Ellenbogen.
»Sie war schon völlig weg, als ich sie fand«, berichtete er. »Die Sanitäter sagten, sie hätte sehr viel Blut verloren, aber sie hat dann eine Transfusion bekommen und kam danach kurz zu sich.«
»Du hast sie gefunden?« Ich sah Jay prüfend an. Er war im Biologieunterricht umgekippt, als wir uns in den Finger stechen mussten, um unsere Blutgruppe zu bestimmen. Dann fiel mir auf, dass die Knie seiner Jeans dunkle Flecken aufwiesen und die Manschette seines karierten Flanellhemds rot verschmiert war. »Oh, Jay, es tut mir so leid. Was ist passiert?«
Er schüttelte den Kopf, und sein Haar fiel strähnig über seine blassen Wangen. Seine Augen waren tief umschattet. »Letzte Nacht kam sie vorbei, weil sie über den Plattenvertrag reden wollte. Erst dachte ich, sie wollte einfach weiter mit mir diskutieren, aber sie war eher … zerknirscht.«
»Zerknirscht? Becky?«
»Ja, ich weiß. Es war ganz komisch. Sie hatte eine Flasche Wein dabei und sagte, es täte ihr furchtbar leid, dass sie mich wegen des Vertrags hätte unter Druck setzen wollen. Dann meinte sie, es würde ja auch keine Rolle spielen, und ein großer Plattenvertrag sei es nicht wert, dass wir dafür unsere Freundschaft aufs Spiel setzten. Und dass es völlig in Ordnung wäre, wenn wir den Rest des Lebens damit zubringen würden, als Aufwärmer für größere Bands zu spielen und in kleinen Käffern aufzutreten.
Wir machten die Flasche leer und schauten ein bisschen Fernsehen … es lief der Film Die roten Schuhe , und das war irgendwie komisch, weil der in der Programmzeitung gar nicht aufgeführt war. Aber Becky war total begeistert und sagte, es sei ihr Lieblingsfilm. Sie bestand sogar darauf, dass wir ihn für dich aufnehmen. Dann öffnete sie noch eine Flasche Wein, die wir bei deinem Dad im Schrank gefunden hatten, und wir haben Popcorn in der Mikrowelle gemacht. Es war schön … wie früher, als wir noch zur Highschool gingen, lange aufgeblieben sind und alte Filme geschaut haben. Draußen kam Nebel auf, und Becky meinte, das Wetter wäre richtig gemütlich …«
»Nebel? Da, wo ich war, gab es keinen Nebel«, sagte ich und erinnerte mich an den klaren Himmel über Governors Island.
Jay warf mir einen seltsamen Blick zu. »Keine Ahnung, wo du letzte Nacht gewesen bist, aber hier im Village war es total neblig. Wir konnten nicht mal mehr aus den Fenstern sehen. Becky meinte, es sei gut, dass wir keinen Horrorfilm schauten …. allerdings hatten wir vergessen, wie unheimlich der Film ist. Du kennst doch die Szene, wo das Mädchen in der Geschichte die roten Schuhe anzieht und tanzt, bis sie tot umfällt? Na ja, Becky meinte, manchmal hätte sie das Gefühl, sie würde diese roten Schuhe tragen und würde sich wünschen, sie könnte aufhören … aufhören mit den Tourneen, den Promogeschichten für die Band, den ständigen Gedanken daran, ob wir nun den großen Durchbruch schaffen oder nicht. Einfach aufhören. Und als dann die Szene kam, wo sich Moira Shearer vor den Zug wirft, habe ich gemerkt, dass Becky weint. Da hätte mir schon klar sein sollen, dass etwas mit ihr
nicht stimmt, aber irgendwie war ich total müde. Ich fühlte mich, als hätte ich mir wie Moira Shearer die Füße wundgetanzt. Dann bin ich auf dem Sofa eingeschlafen, und als ich wieder aufwachte, war Becky nicht mehr da. Fast wäre ich wieder eingedöst, aber dann habe ich ein Geräusch aus dem Bad gehört. So ein leises tapp, tapp, tapp. In meinem Kopf ging alles durcheinander, ich dachte, es sei die Ballerina aus der Geschichte … die tanzte. Es war so nervig, dass ich schließlich aufstand und nachsehen ging …«
Er barg das Gesicht in den Händen, als könne er sich so vor der Erinnerung an das, was er im Bad
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