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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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setzen. Auf dem Couchtisch standen zwei offene
Flaschen, zwei leere Gläser und eine große Schüssel. Ich nahm die eine Weinflasche und las das Etikett: Woop Woop, ein australischer Shiraz, den es in der Weinhandlung an der Hudson Street gab und den Becky gern kaufte, weil er billig war und sie so gern den Namen aussprach. Das war sicherlich die Flasche, die sie mitgebracht hatte. Nun nahm ich die andere zur Hand, die sie Jay zufolge bei meinem Vater im Schrank gefunden hatten. Sie war so verstaubt, dass ich das Etikett abwischen musste, um es zu lesen. Le Vin du Temps Perdu . Der Wein verlorener Zeit. Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Vater keine solche Flasche gekauft hatte, aber wie könnte es Dee gelungen sein, sie ins Haus zu schmuggeln? Hatten die Schattenmänner sie vielleicht während des Einbruchs hier abgestellt? Als ich die Flasche anhob, stellte ich fest, dass noch ein Rest darin war. Langsam goss ich ein paar Zentimeter der roten Flüssigkeit in eines der leeren Gläser und schnupperte daran. Ein schweres Aroma mit einem Hauch von Schokolade und Zimt stieg auf. Bevor ich mir selbst sagen konnte, dass das keine gute Idee war, nahm ich einen Schluck.
    Der Wein war so trocken, dass er zu verdampfen schien, sobald er meine Zunge berührte, und sich dann in einen Nebel verwandelte, der meinen Mund füllte … einen Nebel, der nach Schokolade und Lavendel und einem undefinierbaren Gewürz schmeckte. Ich nahm einen zweiten Schluck und versuchte, den Geschmack auf der Zunge zu spüren, bevor er verdampfte. Als ich die Augen schloss, stand ich auf einem Weinberg in Südfrankreich. Die Sonne wärmte meine Haut, und Lavendelgeruch lag in der Luft …

    Mit einem Ruck öffnete ich die Augen wieder und schob das Weinglas weg. Le Vin du Temps Perdu , tatsächlich! Keine Frage, Alkohol war gefährlich! Und Becky hatte eine ganze Flasche davon getrunken … während sie einen Film sah, der gar nicht hätte laufen sollen.
    Ich sah mich nach der Fernbedienung um und fasste unter alle Sofakissen, bis ich sie fand. Dann schaltete ich den Fernseher an und rief das Menü des Festplattenrekorders auf. Die neueste Aufnahme war laut der Anzeige Leoparden küsst man nicht mit Katherine Hepburn und Cary Grant, aber es war die Einzige, die von letzter Nacht stammte, also wählte ich sie aus und drückte auf Play. Die Werbung für eine DVD-Box von Turner Classic Movies spulte ich ein wenig vor, bis ich Robert Osborne auf dem Bildschirm sah, den Filmkritiker des Senders. Er stand vor dem gemauerten Kamin eines Raumes, der mit seinen Ölgemälden und den dick gepolsterten roten Sesseln an ein Herrenzimmer erinnerte. Becky und Jay hatten sich die Anmoderation sicherlich auch angesehen, denn Jay liebte Robert Osborne und konnte die aalglatte Art, mit der er die Filme ansagte, hervorragend nachahmen. Ich drückte auf Play.
    »Hallo, ich bin Robert Osborne, und heute Abend sehen wir …« Der Bildschirm flackerte für den Bruchteil einer Sekunde, und Robert Osbornes breites, freundliches Gesicht erstarrte kurz. Seine schwerlidrigen Augen ( Man sieht dem echt an, dass er die meiste Zeit seines Lebens in dunklen Kinos gesessen hat , sagte Jay immer) schienen sich zu verdüstern. »… heute Abend sehen wir Die roten Schuhe , einen Film von Michael Powell und Emeric Pressburger, mit der unvergleichlichen Moira Shearer in der Rolle der
unglücklichen Ballerina Victoria Page und dem unvergleichlich charmanten Anton Walbrook als diabolischen Impresario Boris Lermontov.«
    Ich beugte mich ein wenig näher zum Fernseher. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Ton. Robert Osbornes Worte passten nicht zu seinen Mundbewegungen. Oder vielleicht war ich auch nur müde. Ich zog mir eine alte Wolldecke über die Knie, kuschelte mich ins Sofa und ließ mich von Osbornes einschmeichelnder Stimme einlullen, während er erklärte, dass die Filmproduzenten damals ein Manifest für die Macht der Kunst hatten erschaffen wollen. Hingebungsvoll beschrieb er, wie der diabolische (das Wort benutzte er mehrfach) Lermontov Vicky Page in den Selbstmord trieb.
    Komisch, dachte ich, normalerweise verrät Robert Osborne vorab gar nicht so viel von der Handlung. Aber es störte mich nicht weiter, da ich den Film schließlich sowieso schon kannte. Allerdings hatte ich schon wieder vergessen, wie halluzinatorisch und lebendig die Traumsequenzen ausfielen, in denen Vicky Page die Geschichte eines Mädchens nachspielte, das ein paar rote Schuhe anzieht, die von einem

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