Black Swan - Silberner Fluch
Strand zu legen.«
»Okay«, sagte Jenna schniefend. »Das wird sich in meinem Lebenslauf vielleicht auch ganz gut machen.«
Ignatius seufzte und ließ dabei einen Rauchschwall aus seinen aufgestellten Nasenlöchern entweichen. » Und Sie werden mehr Zeit mit Ihrer Großmutter Ruth verbringen.« Er stempelte den Brief mit einem großen Holzhammer ab. »Außerdem gibt es natürlich noch ein Bußgeld …« Er reckte den Hals und warf einen Blick in Jennas riesige Umhängetasche. Als er sich dabei ein wenig über den Schalter beugte, erhaschte ich einen Blick auf einen schuppigen Schwanz. »Ist das ein neues iPhone?«
»Jaaa …«, stöhnte Jenna, »aber Sie können doch nicht …«
Der Schwanz zischte über seinem Kopf hinweg, ringelte sich in Jennas Tasche und fischte das Telefon heraus. »Ah, Peggles. Das wird ihn freuen.« Der Schwanz verschwand hinter dem Schalter. Ignatius gab Jenna den Brief zurück, die sich den Stempel darauf ansah. Er zeigte einen roten Drachen, der Feuer spuckte, und das Feuer nahm die Form von Spiralen an, die sich ausbreiteten, rot glühten und dann aufflammten, den Brief verbrannten und Jennas Haarspitzen versengten. Als sie sich zum Gehen wandte, blickte sie völlig ausdruckslos und unbeteiligt drein.
»Wird sie sich an irgendetwas davon erinnern?«, fragte ich Oberon, aber es war Ignatius, der die Frage beantwortete.
»Nur an das, was ihr aufgetragen wurde. Sie wird glauben,
am Morgen einen Einkaufsbummel bei Bloomingdales gemacht und ihr Handy im Taxi vergessen zu haben. Brauchst du etwas, Oberon? Wie du siehst, habe ich heute jede Menge Kundschaft.«
Oberon öffnete die Tür zum Flur noch einmal und wischte kurz über die goldenen Buchstaben auf dem Glas. Sie verblassten, und nun erschien die Aufschrift »Putzkammer«. Die kleine Menge draußen löste sich auf; die Leute kratzten sich am Kopf und marschierten den Flur zurück zum Fahrstuhl. Ich hörte, wie Arnold Herkimer jemanden nach dem Weg zum Tropicana Casino fragte.
»Es tut mir leid, Ignatius, aber diese Sache duldet keinen Aufschub«, erklärte Oberon. »Ist seine Exzellenz da?«
»Seine Exzellenz?«, wiederholte ich. »Du hast doch gesagt, wir wollten in der City Hall nicht zum Bürgermeister von New York …«
Ignatius und Oberon lächelten. »Oh, es geht um eine viel wichtigere Persönlichkeit als um den Bürgermeister«, antwortete Ignatius und öffnete nun auch die untere Hälfte der Tür. Als ich eintrat, entdeckte ich, dass der Körper des Sekretärs von der Taille abwärts mit kupferfarbenen Schuppen bedeckt war. Wenn er sich umwandte, glitt ein mächtiger Schwanz über den Linoleumboden des Büroraums, der ohnehin nur klein und noch dazu mit verschiedenen Säcken, Kartons mit elfenbeinfarbenem Papier und einem Jahresvorrat japanischer Instant-Nudeln vollgestellt war. Ignatius schob mit dem Schwanz einen Papierkarton vor einer niedrigen Tür mit bogenförmigem Sturz beiseite, die mehrere Messingschlösser sicherten. Er
öffnete sie mit drei verschiedenen Schlüsseln, die an einem Ring um seinen Hals hingen. Die Tür öffnete sich und gab den Blick auf eine schwach erleuchtete Treppe frei. Ignatius nahm einen der Säcke und bedeutete uns mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.
»Er scheint doch gar nicht so übel zu sein«, raunte ich Oberon zu, als wir durch die Tür gingen. »Wieso haben alle so viel Angst vor ihm?«
»Doch nicht vor ihm. Er ist nur der Sekretär. Um den Taxator musst du dir Sorgen machen. Und den werden wir nun aufsuchen.«
Der Taxator
Wir befanden uns bereits in einem der Untergeschosse des Gebäudes, aber die Treppe führte von Ignatius’ Büro noch zwei Stockwerke tiefer. Dort erwartete ich weitere Kellerräume, doch als Ignatius die nächste Tür öffnete, blickten wir in ein großes Gewölbe aus Mauersteinen im Fischgrätmuster und grünen und weißen Fliesen, dessen Decke von Fenstern aus farbigem Glas unterbrochen wurde. Ich wusste sofort, wo wir uns befanden. »Wow! Der alte U-Bahnhof unter der City Hall! Den habe ich schon immer mal sehen wollen!« In den Annalen der Stadt hatte ich von dieser Station gelesen: Sie war von Rafael Gustavino entworfen, ursprünglich 1904 eröffnet und damals als »Kronjuwel des gesamten Schienennetzes« bezeichnet worden. »Ich habe gehört, dass man den Bahnhof geschlossen hat, weil die Biegungen der Schienen hier zu extrem waren, als dass man sie hätte weiter ausbauen können.«
Ignatius und Oberon tauschten einen Blick. »Das war der
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