Black Swan - Silberner Fluch
hatte, seine Dämonen vollständig von der Kette zu lassen. Nun brannte dort draußen nichts mehr. Eines der Gebäude, das zuvor noch in Flammen gestanden hatte, wirkte zwar etwas beschädigt, aber das andere schien unversehrt. Blinzelnd fragte ich mich, ob ich richtig sah, aber tatsächlich schien nur ein Haus gebrannt zu haben. Ich konnte nur spekulieren, dass es in dem Augenblick, als ich die Schatulle in meinen Besitz gebracht hatte und die Dämonen vermutlich vernichtet worden waren, eine kleine Zeitumkehrung gegeben hatte, ein so mächtiger Rückstoß, dass die Minuten, in denen das zweite Gebäude Feuer gefangen hatte, ausgelöscht worden waren. Ein Gefühl des Triumphes überkam mich. New York brannte nicht mehr, und vielleicht waren irgendwo durch diese Zeitumkehrung tatsächlich Leben gerettet worden.
Wer war ich, Garet James, dass ich gegen die finstersten Dämonen des Universums gekämpft hatte? Diese Frage hatte ich mir selbst nur wenige Stunden zuvor gestellt. Nun war sie zumindest für mich beantwortet. Ich war diesem Kampf tatsächlich gewachsen. Ich war der Wachtturm, und noch dazu ein würdiger. Selbst wenn ich immer noch – zur selben Zeit – nichts weiter als die Zerbrechlichste unter den Menschen war, Garet James.
»Ich komme mit dir«, rief ich Oberon nach, der, ohne auf mich zu achten, weitergegangen war. Hastig holte ich ihn ein.
Zunächst hatte er nichts dazu gesagt. Wir betraten die Schleusenkammer und mussten aufpassen, nicht die glitschige Steigung hinabzurutschen … dann waren wir auf
der Brücke und mussten darauf achten, nicht in die hohlen Pylone zu stürzen. Erst, als wir die Schleusenkammer auf dem Bronx-Ufer durchquert hatten, wandte er sich zu mir um und sprach. »Vielleicht ist es besser, wenn ich von jetzt an übernehme.«
Als ich dann wieder zu mir kam, lag ich im Wald nahe des Wartungshäuschens im Van Cortlandt Park und sah die Sonne durch die kahlen Bäume aufgehen. Meine Kleidung war durchnässt, zerrissen und mit Schlamm besudelt. Meine rechte Hand pochte vor Schmerz, und ich stellte fest, dass die Haut geschwollen und voller Blasen war. Nun erinnerte ich mich wieder, dass ich sie verbrannt hatte, als ich das Porträt von Madame Dufay holte, und hastig setzte ich mich auf und sah mich nach dem Bild um … aber dann drehte sich alles um mich, und ich musste mich wieder hinlegen. Vorsichtig tastete ich nach der Liebaugenbrosche und fühlte einen kleinen Buckel in der Tasche meiner Jeans, aber meine Finger waren zu wund, um sie herauszuholen. Das konnte warten. Ich musste mich eine Weile ausruhen, bevor ich mich auf den Heimweg machen konnte. Es hatte keine Eile. Dee war geschlagen, und Will war verschwunden. Zu Hause wartete niemand auf mich.
Ich döste wieder ein und wachte eine ganze Zeit später wieder auf, als ich die Stimme einer Frau hörte. »Ma’am, ist etwas passiert? Sind Sie verletzt?«
»Sie sieht aus, als hätte sie sich die Hand verbrannt«, sagte nun ein Mann. »Hier läuft doch dieser Psychopath herum, der Obdachlose anzündet.«
Obdachlos? Ich? Eigentlich wollte ich ihm sagen, dass ich ein Zuhause hatte, aber als ich den Mund öffnete, um zu protestieren, konnte ich nur krächzen wie ein aufgeregter
Frosch. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Als ich die Augen öffnete, sah ich einen jungen Mann und eine Frau in der Khaki-Uniform der städtischen Parkwächter. »Ich glaube, sie hat ziemlich viel Rauch eingeatmet«, sagte nun wieder der Mann, der daraufhin sein Funkgerät zum Mund hob und einen Krankenwagen herbeorderte.
Ich versuchte ihm zu sagen, dass das nicht nötig sei, aber ich war wohl wieder eingeschlafen, denn anschließend konnte ich mich nur noch daran erinnern, wie ich hochgehoben und aus dem Wald getragen wurde. Danach gerieten die Dinge etwas durcheinander. Ich befand mich in einem Krankenwagen, aber ich war bei meinem Vater, der angeschossen worden war. Ich lag in einem Krankenbett und sah aus dem Fenster den Dampf von den Straßen aufsteigen – große weiße Dampfwolken, die sich zu Drachen und schlangenschwänzigen Frauen formten. Mein Vater war da, beugte sich über mein Bett, das Gesicht voller Anspannung und Traurigkeit.
»Mach dir keine Sorgen«, versicherte ich ihm mit heiserer Stimme, die gar nicht nach mir klang, »ich habe John Dee erledigt. Jetzt wird alles gut werden.« Aber mein Vater blickte nur noch sorgenvoller drein, und ich versuchte, nun gar nichts mehr zu sagen.
Detective Kiernan tauchte später auf und
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