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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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er nicht mehr Garet, sondern Marguerite . Die Qual in seiner Stimme ließ mich herumfahren. Will stand hinter mir, aber am Rand eines kleinen Wäldchens, und er trug ein grünes Oberkleid und enge, beigefarbene Hosen. Sein Haar war länger, und seine Haut, die golden im Schein der sinkenden Sonne schimmerte, zeigte den gesunden Teint der Sterblichkeit. Dieser Will war kein Vampir, aber er war auch nicht der elisabethanische Jüngling, der sich in Marguerite D’Arques verliebt hatte. Dieser Mann, da war
ich sicher, war ein Vorfahr jenes Will Hughes, und ich blickte in eine viel weiter zurückliegende Zeit. Und wir waren auch nicht im Sommerland. Wir standen an der Grenze der Welten. Auch wusste ich, dass dieser Mann gar nicht hier sein sollte. Die Sonne ging hinter mir unter, und sobald sie das tat, würde etwas geschehen, was nicht für seine Augen bestimmt war. Er hatte mir vor langer Zeit versprochen, dass er mir niemals bei Sonnenuntergang zum See folgen würde, aber nun hatte er dieses Gelübde gebrochen. Und damit würde ich ihn auf ewig verlieren. Schon fühlte ich, wie ich mich verwandelte – mein Hals wurde länger, meine Arme breiteten sich aus, Schwimmhäute bildeten sich zwischen meinen Zehen, und Federn brachen durch meine Haut. Ich sah das Entsetzen auf dem Gesicht des Jünglings. Und als ich dann auf den See hinausschwamm, hob er eine große, gekrümmte Armbrust auf seine Schulter und spannte einen Pfeil ein.
    Wieso? Glaubte er, es sei der einzige Weg, mich daran zu hindern, ihn zu verlassen? Hatte er all die Geschichten von den verzauberten Tierfrauen gehört, den Selkies, den Undinen, den Schwanenjungfern, die auf immer verschwanden, sobald ihre sterblichen Geliebten gegen die einzige Bedingung verstoßen hatten, die ihnen auferlegt worden war, nämlich ihrer Gattin bei ihrer Verwandlung niemals zuzusehen?
    Der Pfeil durchbohrte meinen Flügel, und ich spürte, wie ich mich zurückverwandelte, wie meine menschlichen Glieder im Wasser untergingen und die schwere Silberkette, die ich um den Hals trug, mich hinabzog … und dann holte man mich aus dem Wasser, riss mir die Kette vom Hals und zog den Pfeil aus meinem Arm.

    Der Mann weinte. »Geh nicht!«, rief er mit einer Stimme, die an Will erinnerte, »geh nicht!« Aber ich ging bereits. Ich verwandelte mich in etwas anderes.
    »Ich muss gehen«, sagte ich ihm, »aber ich werde stets über dich und deine Söhne wachen, und über all die Söhne und Töchter deines Geschlechts. Ich werde der Wachtturm sein, der die Grenze zwischen den beiden Welten beschützt.«
    Und dann wurde alles schwarz … aber noch immer hörte ich Will, der mich rief: »Geh nicht, Garet! Geh nicht!« Und ich wusste, dass ich wieder in dem hohen Turm stand, und ich wusste, wer ich war. Ich war der Wachtturm, der geschworen hatte, an den Grenzen zwischen den Welten zu stehen und die Menschheit zu beschützen, weil ich noch immer große Liebe für einen Sterblichen empfand, obwohl er sein Versprechen mir gegenüber gebrochen hatte.
    Ich öffnete die Augen und sah die silberne Schatulle in meinen Händen. Die Welt des Sommerlandes lockte grüngolden, meine Mutter stand am anderen Ufer, eine Hand erhoben – ob zum Gruß oder zum Abschied, das wusste ich nicht.
    Ich schloss die Schatulle. Augenblicklich umwirbelte mich das Bernsteinlicht des Zimmers wie eine Wolke in einem Abzugschacht. Ich wurde mitgerissen und fühlte, wie sich die Energie wie ein großer Mantel um mich herum bewegte. John Dee streckte die Finger, rollte etwas von der schimmernden Materie zu einem Ball zusammen und schleuderte ihn nach mir wie Baseballstar Mariano Riviera, wenn er zum spielentscheidenden Fastball ausholte.

    Er traf mich direkt auf dem Brustbein, und ich brach zusammen. Dee sprang aus seinem Sessel und war über mir, versuchte mir die Schatulle aus den Händen zu ringen, aber ich hielt sie fest. Sein Gesicht war nahe an meinem, und sein schwefeliger Atem fuhr heiß über meine Haut.
    »Du Närrin! Es wird dir noch leidtun, dass du die Möglichkeit nicht ergriffen hast, diese Welt zu verlassen, wenn ich mit ihr fertig bin. Was du bisher gesehen hast, ist noch gar nichts!«
    Ich glaubte zu spüren, dass sich mein Griff lockerte, aber dann ließen vielmehr Dees Finger das Kästchen fahren. Er wurde von mir weggerissen, als ob ihn ein riesiger Gabelstapler hochfederte, und er prallte gegen eine Wand. Die bernsteinerne Wandvertäfelung brach in tausend Stücke, und all die Elektrizität, mit der sie

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