Black Swan - Silberner Fluch
sich aufgeladen hatte, explodierte. Dees Körper zuckte, als stünde er unter Strom, und dann brach er bewusstlos auf dem Boden zusammen. Will stand über ihn gebeugt, und seine Lippen entblößten in einer zornigen Grimasse die Fangzähne. Mit aller Kraft stürzte er sich auf seinen Gegner und legte auf seinen Hals an, aber dann warf ihn eine Kraft, die Funken aufstieben ließ, zurück. Es roch verbrannt, und entsetzt begriff ich, dass dieser Geruch von Wills Körper ausging. Die Paneele direkt hinter Dee hatten Feuer gefangen, die daneben ebenfalls. Elektrische Flammen sprangen von einer Verkleidung zur nächsten, und die daraus entstehende Helligkeit zerstörte Wills Haut.
»Lass ihn!«, schrie ich und kam, die Schatulle noch im Arm, wieder auf die Beine. »Wir müssen hier raus!«
Will wandte sich mir zu, und für einen kurzen Augenblick
hatte ich das Gefühl, dass er mich gar nicht erkannte. Seine Augen glühten rot in dem feuerversengten Gesicht, und er bleckte die Zähne. Doch dann wich das Rote aus seinen Augen dem flackernden Licht des Bernsteinfeuers. Er nickte kurz und streckte eine Hand nach mir aus, aber ich konnte sie nicht ergreifen, während ich noch das Kästchen festhielt. Also ließ ich ihn einen Arm unter meinen Rücken und einen unter meine Knie schieben, um mich hochzuheben. Er war kaum mit mir aus dem Zimmer getreten, als ich ihm zurief, stehen zu bleiben und mich abzusetzen.
Es lag wohl so viel Befehlsgewalt in meiner Stimme, dass er gehorchte. Ich drückte ihm die Schatulle in die Hand und rannte wieder in das Turmzimmer, das sich in ein Inferno verwandelt hatte. Dort, wo Dee kurz zuvor noch gelegen hatte, war niemand mehr zu sehen. Hatte er sich durch all die Energie, die er in sich absorbiert hatte, in Dampf aufgelöst? Oder war er auf irgendeine Weise entkommen? Ich hatte keine Zeit, das herauszufinden. Außerdem war ich nicht um seinetwillen zurückgekehrt.
Stattdessen durchquerte ich hastig den Raum und griff nach dem Porträt von Madame Dufay, das über dem Kamin hing. Der Rahmen war bereits angesengt, und die Leinwand war an einer Seite leicht braun, aber ihr Bild war noch ganz. Als ich es packte, war der Rahmen so heiß, dass er mir die Hand verbrannte, aber ich klemmte es mir trotzdem unter den Arm und rannte hinaus auf die metallene Plattform, während das Feuer nun das gesamte Zimmer ergriff. Eine Explosion erschütterte die Eisentreppe und füllte den Turm mit giftigem, gelbem Rauch. Ich konnte kaum noch bis zur anderen Seite der Plattform
sehen, wo Will sich an das Geländer lehnte. Ich lief zu ihm, voller Angst, dass er bei der Explosion verletzt worden sein könnte, aber dann musste ich entdecken, dass der Mann, den ich berührte, gar nicht Will war. Es war Oberon, von seinen Metallketten befreit, aber noch immer geschwächt.
»Was hast du mit Will gemacht?«, rief ich.
Oberon lachte gequält. »Sehe ich so aus, als sei ich in der Verfassung, einem Vampir etwas anzutun? Nein. Er nahm mir die Ketten ab – nur dir zuliebe, wie er sagte – und bat mich, dich heil hier herauszubringen.« Er lächelte mich traurig an. Es war, als dauerte ich ihn jetzt noch mehr als vor ein paar Stunden, als er mich gelähmt in der Wohnung meines Vaters zurückgelassen hatte. »Und er sagte, ich sollte dir ausrichten, es täte ihm leid. Dann verschwand er und nahm die silberne Schatulle mit.«
Das Sommerland
In den Wochen, die auf diese Nacht folgten, fiel es mir nicht besonders schwer, mich an den kurzen Blick zu erinnern, den ich auf das Sommerland hatte erhaschen können – sein Panorama lag quälend klar und deutlich vor mir. Im Gegensatz dazu war der Weg zurück durch den Aquädukt, den ich mit Oberon zurücklegte, wie verschwommen. Sicher, ich wusste noch, dass wir die Wendeltreppe hinuntergegangen waren und dass Oberon von Will sprach.
»Ich wusste, dass er die Gelegenheit beim Schopf packen würde, wenn sie sich ihm bot. Er glaubt, er kann die Schatulle dazu verwenden, wieder ein Mensch zu werden. Er wird sie benutzen, um an die Grenze des Sommerlands zu kommen und das Geschöpf im See herbeizurufen, damit es ihn wieder sterblich macht – und wenn dieses Wesen je in unsere Welt vordringt, dann wird es schlimmer sein, als wenn es Dee gelungen wäre, die Dämonen Zwietracht und Verzweiflung wahrhaft zu entfesseln. Ich muss ihm folgen und ihn aufhalten.«
Ein hastiger Blick durch das schmale Fenster, an dem
wir nun wieder vorüberkamen, zeigte immerhin, dass Dee es nicht geschafft
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