Black Swan - Silberner Fluch
sei und mich sehen wolle. Ich sagte Kiernan, dass ich nun wirklich ein wenig Zeit für mich brauchte, bevor
ich wieder zu meinem Vater ging, und er verließ zögernd das Haus, wobei ich ihn beinahe zur Tür hinausschieben musste. Als er dann endlich um die nächste Ecke gebogen war, ging ich die Straßen zum St. Vincent’s zu Fuß und ärgerte mich über mich selbst, weil ich mich von dem Polizisten hatte dazu verleiten lassen, ihm von unseren finanziellen Schwierigkeiten zu erzählen. Schön, wahrscheinlich hätte er es irgendwann selbst herausgefunden, dass uns der Kredit gekündigt worden war, aber nun würde er die ganze Untersuchung des Einbruchs in diesem Licht betrachten. Er würde sich darauf konzentrieren, wie günstig es doch nun war – das hatte er ständig wiederholt -, dass wir mit dem Geld aus der Versicherung den Kredit würden zurückzahlen können, jedenfalls zum Teil. Es war klar, dass er meinen Vater verdächtigte, den Einbruch fingiert zu haben, um die Versicherungssumme zu kassieren. Jetzt musste er nur noch herausfinden, dass Roman schon einmal wegen des Verdachts auf Versicherungsbetrug verhaftet worden war.
Es war vor elf Jahren geschehen, als ich fünfzehn war. Dass Geld bei uns zu Hause knapp war, wusste ich, weil ich im Jahr zuvor von meiner Privatschule auf eine öffentliche hatte wechseln müssen. Das hatte mir nichts ausgemacht – ich war am LaGuardia angenommen worden und fand den Kunstunterricht dort wunder voll -, aber ich hasste es, wenn ich miterleben musste, wie meine Eltern wegen Geld stritten. Vor allem, als ich hörte, dass meine Mutter Roman vorwarf, er habe das Geld, das für meine College-Ausbildung beiseitegelegt worden war, für einen Warhol-Siebdruck ausgegeben, den einer von Zach Reeses Freunden verkaufte.
»Ich werde ihn für das Zweifache von dem weiterverkaufen, was ich bezahlt habe«, hörte ich meinen Vater eines Abends sagen. »Und Garet kann nach Harvard gehen, wenn sie will.«
Aber dann hatte das Warhol Board den Druck nicht als echt eingestuft. Das Prüfkomitee behauptete, Zach Reese habe ohne Warhols Erlaubnis Kopien angefertigt. Ohne das Authentizitätssiegel war das Bild so gut wie wertlos. Drei Tage, nachdem Roman diese Nachricht erhalten hatte, wurde in der Galerie eingebrochen. Ein paar Gemälde weniger bekannter Künstler wurden gestohlen, aber das einzige Objekt von Wert, das verschwand, war der Warhol, der zum Kaufpreis versichert worden war. Als derselbe Freund Zach Reeses, der Roman den Druck verkauft hatte, geschnappt wurde, während er versuchte, dasselbe Bild einem japanischen Kunstsammler schmackhaft zu machen, wurde auch Roman festgenommen, weil man ihm vorwarf, an einem Versicherungsbetrug beteiligt zu sein. Während sich das Verfahren gegen ihn über ein Jahr hinzog, wurde der gute Ruf unserer Galerie fast völlig ruiniert, und meine Mutter starb bei einem Autounfall. Die Times druckte ihren Nachruf am gleichen Tag, an dem die Anklage gegen Roman James aus Mangel an Beweisen fallengelassen wurde. Es würde nicht lange dauern, bis Detective Kiernan das herausfand. Im Grunde war es seltsam, dass er es noch nicht wusste.
Es sei denn, er hatte nur darauf gewartet, dass ich es ihm sagte. War ich noch verdächtiger geworden, weil ich diesen alten Fall unerwähnt gelassen hatte? Aber weshalb hätte ich das tun sollen? Es handelte sich um völlig verschiedene Ereignisse. Schließlich war Roman bei dem
Überfall angeschossen worden. Wenn er die Diebe engagiert hatte – und die Vorstellung, dass mein Vater irgendetwas mit diesen Verbrechern zu tun gehabt haben könnte, war undenkbar -, dann hätten sie doch sicherlich nicht auf ihn gezielt.
Beinahe konnte man von Glück sagen, dass er angeschossen worden war.
Ich rügte mich selbst für diesen hässlichen Gedanken, als ich ins Zimmer meines Vaters trat. Er wirkte eingefallen und klein in seinem Krankenbett, seine Haut hob sich kränklich gelb von dem weißen Verband an seiner Schulter ab, und die blauen Flecken auf seinem kahlen Kopf wurden vom fluoreszierenden Krankenhauslicht grell betont. Er hatte die Augen geöffnet, den Blick aber zum Fenster gerichtet, so dass er mich erst bemerkte, als ich mich hinunterbeugte und ihn auf die Stirn küsste.
»Da bist du ja!«, rief er aus, als hätten wir gerade Verstecken gespielt und er hätte mich hinter dem Sofa entdeckt. »Ich habe dieser Schwester gesagt, dass du jeden Augenblick kommen würdest. Meine Margaret würde ihren Vater nicht im Stich
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