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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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jetzt überhaupt? Was hat der Geisteszustand meines Vaters damit zu tun, dass ihn ein Einbrecher angeschossen hat?«
    Eine Minute lang sagte weder der Arzt noch der Detective etwas. Ich sah, wie die beiden einen Blick tauschten, und dann, auf ein Nicken Kiernans hin, deutete Monroe auf ein weiteres Röntgenbild in der Reihe.
    »Das ist eine Aufnahme der Schulter Ihres Vaters. Sie sehen hier, wo die Kugel in seine Brust eindrang, kurz über dem Herzen, und hier«, er tippte gegen das nächste Bild, »wo die Kugel kurz unter dem Trapezmuskel auf dem Rücken wieder austrat. Aus dem Winkel der Schussbahn und den Pulverrückständen auf seiner Brust und seiner Hand …«
    »Seiner Hand?«
    »Ja, seiner Hand.«
    »Die Kugel stammt aus dem Dienstrevolver, den wir auf dem Boden gefunden haben«, unterbrach ihn Detective
Kiernan. »Den Sie als die Waffe Ihres Vaters identifiziert haben. Das lässt nur einen logischen Schluss zu. Ihr Vater hat sich die Wunde selbst zugefügt. Er hat sich selbst angeschossen.«
     
    Zwanzig Minuten später verließ ich das Krankenhaus, ging über die 7th Avenue und machte mich eilends auf den Weg nach Greenwich. Um in die Galerie zurückzukehren, war ich zu schockiert und durcheinander. Ich konnte Maia nicht unter die Augen treten, und auch nicht irgendwelchen besorgten Kunden oder Nachbarn, die vielleicht vorbeikommen würden, wenn sie von dem Einbruch erfahren hatten. Sobald sich das Gerücht herumgesprochen haben würde, dass Roman James den Diebstahl selbst organisiert hatte, würden ihnen die Sympathiebekundungen ohnehin nur nachträglich leidtun. Und zu welchem anderen Schluss würde man kommen, als dass Roman James sich selbst angeschossen hatte, um den Eindruck zu erwecken, er sei ein Opfer der Einbrecher geworden? Aber dennoch, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie mein Vater eine Waffe gegen sich selbst richtete.
    »Der Körper ist der Zufluchtsort der Seele«, hatte Roman einmal zu mir gesagt, als ich erwog, mir ein Tattoo stechen zu lassen, als ich auf dem College war. »Du würdest doch auch keine Farbe an eine Synagogenmauer sprühen, oder? Wieso also auf das Haus deiner Seele?« Wie hatte er da einen Schuss auf seinen eigenen Körper abfeuern können? Es musste eine andere Erklärung geben.
    Ich überquerte die 8th Avenue und bog dann nach
Westen in die Horatio Street. Am Ende der Straße sah ich den Hudson schimmern. Vielleicht sollte ich über den West Side Highway zum Fluss hinunter und dann ein paar Meilen den Hudson River Greenway entlanglaufen … bis ich zu erschöpft war, um zu denken, oder aber … Ich hielt inne und blickte die Hudson Street nach Süden hinunter. Das Juweliergeschäft musste irgendwo in der Nähe des Flusses liegen. Vielleicht konnte ich die Straßen einzeln ablaufen, bis ich es gefunden hatte. Dann konnte ich dem Mann mitteilen, dass die Schatulle gestohlen worden war, und Detective Kiernan seine Adresse geben. Er schien nicht zu glauben, dass das silberne Kästchen oder ihr Besitzer existierten. Als sei ich verrückt.
    Systematisch ging ich nun die schmalen, kopfsteingepflasterten Straßen entlang, die zwischen der Hudson Street und dem West Side Highway lagen. Eine nach der anderen musste ich streichen – die Horatio Street, die Jane Street, die Bethune Street -, und als ich das Antiquitätengeschäft einfach nicht entdecken konnte, stieg allmählich Panik in mir auf. Was, wenn Detective Kiernan Recht hatte? Was, wenn sich mein Vater wirklich selbst angeschossen und den Einbruch arrangiert hatte, um die Versicherungssumme zu bekommen? Zwar war er bei dem Warhol-Fall nicht verurteilt worden, aber ich erinnerte mich nur zu gut an die vielen Streitereien über Geld, die er mit meiner Mutter kurz vor diesem Diebstahl gehabt hatte. Und nun, kurz nachdem ich ihm berichtet hatte, wie schlecht unsere finanzielle Lage war, hatte es wieder einen Einbruch gegeben, allerdings nur ein paar Stunden, nachdem ich ihn ins Bild gesetzt hatte. Es war unvorstellbar, dass er in dieser kurzen Zeit etwas Derartiges hätte
planen können. Aber dennoch: Ich hasste mich selbst dafür, dass ich überhaupt so dachte, doch ich konnte nicht verhindern, dass ich immer mehr zweifelte. Und , sagte eine hinterlistige Stimme in mir, wenn er schuldig ist, dann muss er ins Gefängnis, und dann bist du ganz allein.
    Mitten auf der Cordelia Street blieb ich stehen; meine Augen füllten sich mit Tränen, mein Blick verschwamm. Nichts passiert , sagte ich mir und versuchte, die

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