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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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Glasfronten eingefasst war. Es war, als stünde man ganz oben auf einem hohen Turm. Vor mir erstreckte sich der Hudson River und das Steilufer der Jersey Palisades, im Süden die Wolkenkratzer von Manhattan, und im Norden erhob sich der viereckige, steinerne Turm der Cloisters. Das Glas schien leicht getönt zu sein, vielleicht, um das gleißende Sonnenlicht etwas zu mildern. Gerade wollte ich einen Schritt auf die nach Norden zeigende Fensterfront machen, als mir ein Bild auffiel, das an der Wand neben dem Fahrstuhl hing.
    Es war das Ganzkörperporträt eines jungen Mannes in elisabethanischer Kleidung. Etwas in seinen leicht auseinanderstehenden, silbergrauen Augen ließ mich bewegungslos verharren. Er hatte langes, gelocktes, blondes Haar und einen geschwungenen, zu einem grausamen Lächeln verzogenen Mund. Im Kontrast zum schwarzen Kragen seines Samtwamses wirkte seine Kehle besonders weiß, ebenso wie die Hand, die auf einem geöffneten Buch ruhte, das auf einer Marmorsäule lag. Als ich näher trat, sah ich den Ring mit dem Schwanensiegel. Meinen Ring. Konnte es wirklich derselbe sein wie der, den ich am Finger trug? Ich hielt meine Hand vor das Bild, bis der echte Ring auf einer Höhe mit dem gemalten war.

    »Bemerkenswert«, ertönte eine Stimme hinter mir. »Es ist wirklich derselbe Ring.«
    Als ich mich umwandte, sah ich in dieselben leuchtenden Silberaugen wie auf dem Porträt. Der Mann trug moderne Kleidung – ein maßgeschneidertes weißes Frackhemd und eine ausgeblichene schwarze Jeans -, sein Haar war jedoch eine Nuance dunkler und kurzgeschnitten. Sein Mund hatte allerdings dieselbe Form, und schon während ich mich umgedreht hatte, war mir derselbe grausame Zug aufgefallen, der auch auf dem Porträt zu sehen war. Doch dann verschwand das höfliche Lächeln, das er für mich aufgesetzt hatte, und wich einem Ausdruck, den man als Überraschung oder Verletzlichkeit hätte deuten können.
    »Noch bemerkenswerter ist, dass Sie genauso aussehen wie er«, sagte ich und fragte mich, wieso mein Anblick ihn derart aus der Fassung brachte. Hatte er jemand anderen erwartet?
    »Der Fluch der Familie Hughes«, sagte er, während er seine Fassung wieder zurückgewann und die rechte Hand ausstreckte.
    Seine Augen bohrten sich mit beunruhigender Intensität in meine. Dann fühlte ich, wie bei unserer Begrüßung mein Ring gegen den seinen stieß, und ich senkte den Blick auf unsere Hände, um die Macht zu brechen, die ich von diesen Augen ausgehen fühlte. Ich hatte vermutet, dass es sich bei seinem Ring vielleicht um eine Kopie des Schwanensiegels handeln würde, aber es war ein Goldring mit einem flachen, schwarzen Stein.
    »Bitte, setzen Sie sich.« Er deutete auf eine niedrige Couch mit Samtbezug, die vor den Westfenstern stand.
Alle Möbel in diesem Raum waren niedrig und unaufdringlich, wie um die Wirkung der Aussicht nicht zu mindern. Auf dem Glastisch vor der Couch standen lediglich ein Dekanter aus Kristall, zwei Gläser und ein aufgeklappter Laptop. Zahlen und Zeichen huschten über den hellen Computerbildschirm. Börsennotizen, vermutete ich, die für mich ebenso geheimnisvoll waren wie die Symbole, die ich in der silbernen Schatulle gefunden hatte. Hughes klappte den Laptop zu, goss die bernsteinfarbene Flüssigkeit in die Gläser und setzte sich dann mir gegenüber in einen Eames-Designersessel aus Chrom und Leder. Dann beugte sich er sich vor und nahm meine Hand. Die Vertraulichkeit dieser Geste raubte mir beinahe den Atem, aber dann stellte ich fest, dass er sich den Ring ansah. Und mir wurde bewusst, dass ich nicht versucht hatte, die Hand wegzuziehen.
    »Er sieht tatsächlich genauso aus wie der Ring meiner Vorfahren«, sagte er. »Wo haben Sie ihn gefunden?«
    »Meine Mutter hat ihn mir gegeben«, erklärte ich.
    Er sah auf, hielt aber meine Hand weiter fest, und ich ließ sie ihm. Dabei hatte ich das seltsame Gefühl, dass ich auch gar nicht anders konnte, sofern er mir nicht die Erlaubnis dazu geben würde. Ich fühlte mich ebenso machtlos wie in jenem Augenblick, als die Diebe im Flur an mir vorübergegangen waren, aber während ich damals ein Gefühl von Ekel und Widerwillen gespürt hatte, war die Situation jetzt … verführerisch . Dabei war ich mir jedoch nicht sicher, was von beiden gefährlicher war.
    »Wie lautete der Name Ihrer Mutter?«
    »Margot James«, antwortete ich. »Ihr Mädchenname war D’Arques.«

    »Sie stammte aus Frankreich?«
    »Ja. Ihre Eltern kamen im Zweiten

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