Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll

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Tränen füllten. Schnell wandte ich den Kopf und sah aus dem Nordfenster zu den Cloisters hinüber.
    »Das erklärt die Sache«, nickte Hughes. »Sie hatte keine Zeit mehr. Immer vorausgesetzt, dass ihre eigene Mutter
es ihr jemals erzählt hatte. Sie sagten doch, Ihre Großmutter sei ebenfalls jung gestorben … im Krieg?«
    »Ja, sie wurde festgenommen, weil sie jüdische Flüchtlinge versteckte, und hingerichtet.«
    »Wie schrecklich. Dann wusste Ihre Mutter es vielleicht selbst nicht.«
    »Was denn?« Jetzt sah ich Will Hughes wieder an. Die kurze Zeit des Wegsehens hatte mir die Kraft gegeben, ihn zu fragen. »Was hat all das mit meiner Mutter zu tun?«
    »Alles«, sagte er. »Ihre Mutter entstammte einer langen Linie von Frauen, die eine sehr wichtige Rolle innehaben. Hier, sehen Sie sich meinen Ring an.« Er zog sich den Goldreif vom Finger und reichte ihn mir. Als ich ihn genauer besah, entdeckte ich, dass es sich bei dem Stein um ein Intaglio handelte, das ein Wappen darstellte. Ich nahm meine Juwelierslupe, die ich stets bei mir trug, aus der Tasche und hielt sie über den Ring. Das Bild erwachte zum Leben: Ein steinerner Turm, der von einem körperlosen Auge gekrönt wurde und aus dem Strahlen drangen. Ein lateinisches Motto umgab den Stein, aber es war rückwärts eingraviert, und ich konnte es nicht lesen.
    »Die Inschrift lautet: Quis custodiet ipsos custodes? «, sagte er.
    »Wer überwacht die Wächter?«, übersetzte ich. Er neigte den Kopf und lächelte. »Ich habe mich viel mit Wappensprüchen beschäftigt«, erklärte ich und hielt mein Medaillon hoch, damit er es betrachten konnte. »Auch habe ich das Gefühl, dieses Wappen schon einmal gesehen zu haben.«

    »Vielleicht hat Ihnen Ihre Mutter einmal ein Bild davon gezeigt. Sind Sie sicher, dass sie Ihnen nie etwas von einem Wachtturm erzählt hat?«
    »Nein … was ist das? Es klingt nach den Zeugen Jehovas.«
    »Es ist dasselbe Symbol, geht aber in eine andere Richtung«, sagte er und lehnte sich zurück. »Der Wachtturm ist ein uraltes Symbol für den Schutz gegen das Böse. Er steht auf der Grenze zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen der natürlichen und der unnatürlichen Welt, zwischen Gut und Böse.«
    »Das ist eine ziemliche Verantwortung«, sagte ich. »Aber ich verstehe noch immer nicht. Was ist das?«
    »Nicht was, sondern wer . Sie sind der Wachtturm, Garet James.«
    Ich versuchte zu lachen – dieser Satz klang so bedeutungsschwer! -, aber meine Kehle war zu trocken, weswegen ich nur ein Husten herausbrachte. Er reichte mir mein Glas Sherry und wartete, während ich einen kleinen Schluck trank.
    »Was um alles in der Welt meinen Sie damit?«, fragte ich, als ich wieder sprechen konnte.
    »Das ist es, was beispielsweise Ihr Name bedeutet. Nach dem altfranzösischen Wort garite , das mit Wachtturm übersetzt wird. Es bedeutet, dass Sie die ernannte Wächterin …«
    »Die Wächterin von was ?«, fragte ich, da ich meine Neugier nun nicht mehr bezähmen konnte.
    Er starrte mich an – offenbar war er es nicht gewohnt, dass man ihn unterbrach – und seufzte dann. »Es ist schwer zu erklären. Eine Wächterin gegen das Böse, könnte
man vielleicht sagen. Es ist eine Aufgabe, die von der Mutter an die Tochter weitergegeben wird.«
    »Wie in einer Art Geheimbund?«, fragte ich ungläubig. Es klang wie eine Geschichte aus Jays Büchern, wie der Zentralrat der Anarchisten oder Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen . »Wissen Sie, wie albern das klingt?«
    Ich wollte aufstehen, aber plötzlich stand er neben mir und hielt mich zurück, indem er mir die Hand auf den Arm legte. Er hatte sich so schnell bewegt, dass mir der Kopf schwirrte. Verblüfft setzte ich mich wieder und versuchte, mich nicht zu rühren, bis der seltsame Schwindel verging.
    »Ich weiß, dass all das für Sie verrückt klingen muss, aber warum hören Sie nicht erst einmal zu? Tun Sie doch einfach so, als sei es eine Legende, von der Sie in einem Buch läsen, wie wäre das?«
    »Eine Legende?«
    »Ja, eine Legende, die im frühen 17. Jahrhundert begann, als Ihre Vorfahrin meinen …«, er deutete mit dem Kopf zu dem Porträt beim Fahrstuhl hinüber, »meinen … Vorgänger traf und Ringe mit ihm tauschte. Deswegen haben Sie den Schwanenring, und ich habe den Wachtturm. Will Hughes … mein Vorfahr … hinterließ einen ausführlichen Bericht über seine Begegnung mit einer Französin namens Marguerite. Marguerite besaß eine silberne Schatulle, die