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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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mit ziemlich vielen Nullen – und schob ihn über den Ladentisch. Die Frau blickte einige Minuten lang zwischen dem Zettel und dem Ring hin und her und maß offenbar die Entfernung zwischen ihnen, als seien sie zwei Punkte auf einer Landkarte. Vielleicht überlegte sie, wo sie einmal angefangen hatte und wo sie heute angekommen war. In ihren Gedanken entdeckte ich keine Worte, nur Zahlen.
    »Das scheint ein fairer Preis zu sein«, sagte sie schließlich.
    »Natürlich ist das ein fairer Preis, meine Liebe! Und ich sage Ihnen noch was – wenn Sie den Richtigen auf der Kreuzfahrt getroffen haben und nächstes Jahr wiederkommen, um einen neuen Ring zu kaufen, gebe ich Ihnen zwanzig Prozent Rabatt.«
    Die Frau lächelte, und der Juwelier stellte ihr einen Scheck aus. Als sie danach griff, nahm er ihre Hand und hob sie an seine Lippen, beugte den Kopf und hauchte
einen Kuss auf ihre Knöchel. Sein kahler Kopf schimmerte in den hellen Ladenscheinwerfern so hell wie einer seiner Diamanten. Dann drückte er ihr den Scheck in die Hand und ergriff ihre Rechte mit beiden Händen. »Auf bessere Zeiten, mein Herz.«
    Als sie auf dem Weg nach draußen an mir vorüberging, hörte ich, dass ihr immer noch jede Menge Zahlen durch den Kopf gingen: Aufstellungen von Miete und Strom, Lebensmittelauslagen und Telefonrechnungen. Sie überlegte, wie lange sie mit dem Geld, das sie für den Ring bekommen hatte, auskommen würde. Für eine Kreuzfahrt war in dieser Kalkulation kein Platz.
    Oberon trat in den Verkaufsraum, als sie gerade ging. Zum ersten Mal, seit ich ihn getroffen hatte – war das wirklich erst vier Tage her? -, sah er müde aus. Mir fiel auf, dass seine Haut aschgrau war, als hätte der Tod der Lichtsylphen auch aus ihm alle Farbe heraussickern lassen. Er nickte mir zu, als er zu mir trat, wandte sich jedoch zunächst an den weißbärtigen Juwelier hinter mir.
    »Hallo, Noam«, sagte er, wobei er den Namen ein wenig wie »Nohm« klingen ließ. »Wie gehen die Geschäfte?«
    Der Händler zuckte mit den Schultern und hob dann die Handflächen. »Kann mich nicht beklagen. Und wenn ich es täte, was würde es mir nützen? Ich kaufe mehr, als ich verkaufe – und das ist nie ein gutes Zeichen -, aber wenigstens habe ich genügend Kapital, um die stürmischen Zeiten zu überstehen. Andere haben weniger Glück.«
    »Nein, andere hatten überhaupt kein Glück.« Oberon sah sich im Verkaufsraum um, dann bedeutete er mir, näher an den Tresen zu treten. »Noam Erdmann, das ist Garet James.«

    »Ah, der Wachtturm. Ich dachte mir schon, dass du es bist.« Er umfasste die Hand, die ich ihm entgegenstreckte, mit den seinen. Sie waren kalt und trocken. Dann beugte er den Kopf und legte seine Lippen, ebenfalls kalt und trocken, auf meine Knöchel. »Es ist eine Ehre, dich kennenzulernen.«
    »Es ist mir ebenfalls eine Ehre, Mr. Erdmann.«
    »Bitte, sag doch Noam.« Er hob den Kopf und lächelte mich an. Der Goldzahn schimmerte im Licht, aber trotz des freundlichen Gesichts lag ein Hauch Melancholie in seinen braunen Augen. Sie waren von tief eingegrabenen Fältchen eingefasst, die wie Furchen auf einem trockenen Feld wirkten. Als ich in diese Augen sah, hatte ich das Gefühl, in einen tiefen Brunnenschacht zu blicken, der bis ins Innerste der Erde hinabreichte. Obwohl er meine Hand nur leicht festhielt, konnte ich eine Spannung spüren, die von seinen Fingern über meinen Arm und meinen Körper bis in den Boden lief, über den Boden des Verkaufsraums und bis in die Felsschulter unter dem Gebäude. »Erdmann? Ist das wörtlich zu verstehen?«
    »Ja, ich bin ein Mann der Erde«, sagte er, ließ meine Finger los und klopfte sich mit der Rechten auf die breite Brust. »Mein Volk schürft seit Jahrtausenden in den Tiefen der Erde nach Schätzen.« Dann zuckte er mit den Schultern. »Nun, es ist eine Möglichkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und wo wir davon sprechen, das Leben zu erhalten … Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Wieso setzen wir uns nicht zu Tisch, während wir miteinander reden?« Mit dem Daumen deutete er zu einer Balustrade, auf der sich ein koscheres Restaurant befand. »Kommt. Dort arbeitet eine Kellnerin,
die viel für mich übrighat. Sie wird uns sicher eine Extraportion eingelegtes Gemüse und Krautsalat geben.«
    Er zwinkerte mir zu, glitt von seinem Hocker und kam hinter dem Ladentisch hervor. Überrascht stellte ich fest, dass sein kahler Scheitel kaum bis zu meinen Schultern reichte. Er

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