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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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den Taler nicht wert!‹, und er bückt sich, um diesen ... Penny aufzuheben. Und als er das tut, entgleitet ihm der Ballon. Na ja, ich weiß nicht, wie lang er den Ballon schon mit sich rumgetragen hat, aber das Helium hatte angefangen, schlappzumachen, deshalb ist er nicht weggeflogen. Stattdessen ... hing er einfach da, in der Luft, bis eine Brise kam und ihn vor sich herschubste.«
    Paul schluckt einen Kloß hinunter.
    »Der Ballon nimmt an Fahrt auf. Er jagt ihm nach. Ich sehe, wie er rennt, was er kann. Und ich versuche zu schreien, aber die Mutter schreit mich an und hat ihren Sohn nicht im Auge. Und der Polizist hat die Mutter im Auge, weil sie aussieht, als wollte sie mir jeden Moment meine auskratzen. Ich brülle und renne los, aber der Polizist zieht mich zurück.
    Es ist immer noch da. In meinem Kopf. Der Ballon, der vorbeitreibt. Der SUV. Seine Leiche. Seine Schuhe. Es ist unwirklich. Wie etwas, was man im Internet sieht. Wie ein Witz.«
    Schweigen.
    Miriam blinzelt die Vorboten von ein paar Tränen weg. Sie wird sie nicht hervorkommen lassen.
    »Das ist ganz schön verfahren«, sagt Paul schließlich.
    Sie beißt auf die Zähne. »Nein, verfahren ist, was später kommt. Nachdem man sich aus diesem Moment herauszieht, nachdem man einen Weg gefunden hat, dem Kreislauf von Bildern, die das Gehirn einem immer wieder vorspielt, zu entkommen, fängt man an, ein paar Zusammenhänge herzustellen. Man erkennt, das ganze Leben steht in einem Buch, und wir alle bekommen so ein Buch, und wenn dieses Buch am Ende ist, sind wir es auch. Schlimmer, einige von uns bekommen kürzere Bücher als andere. Austins Buch war eine Broschüre. Wenn es einmal vorbei ist, ist es vorbei. Wirf es weg. Und tschüss.«
    »Das ist morbid!«
    Miriam steht auf, tritt ihren Stuhl um, dann hebt sie ihn auf und feuert ihn durch die Luft – er poltert auf den harten Lagerhausboden und rutscht weg.
    »Paul, raffst du es nicht? Ich habe versucht, das Leben dieses dämlichen Jungen zu retten, und indem ich es versucht habe, bin ich diejenige, die es dem Untergang überantwortet hat. Ich habe ihn getötet. Wenn ich diese Vision nicht gehabt hätte, wenn ich nicht aufgrund dieser Vision gehandelt hätte, dann hätte seine Hundefickerin von Mutter ihn wahrscheinlich in einen Schuhladen oder wieder nach Hause geschleppt, und sie wäre nie von dem verrückten Mädchen abgelenkt worden, und ihr Kind hätte es nie bis auf die Schnellstraße geschafft. Es ist wie irgendein kranker Schlange-beißt-sich-in-den-eigenen-Schwanz-Bockmist. Das Schicksal hatte einen Plan, und die ganze Zeit über war ich Teil dieses Plans, auch wenn ich glaubte, ich wäre raffiniert und könnte mich aus den Klauen der Vorsehung befreien. Indem ich versucht habe, es zu verhindern, habe ich es ermöglicht!«
    Der Stuhl ist jetzt weit weg, deshalb setzt Miriam sich aufden Boden. Still raucht sie, zusammengekauert, atmet schwer und tief.
    »Das ist der Grund, weshalb ich nicht versuche, Leute zu retten«, sagt Miriam schließlich.
    »Oh!«
    Miriam drückt ihre Zigarette auf dem harten Betonboden aus.
    »Nun«, sagt sie. »Was du wirklich wissen willst, ist doch: Wie bin ich so geworden?«
FÜNFZEHN
    Ouroboros oder: Die Schlange beißt sich in den Schwanz
    Waffle House, eine feste Restaurant-Größe des amerikanischen Südens, ist im Wesentlichen ein schmieriger gelber Sarg. Es ist klein. Es ist kistenartig. Die Hälfte der Leute darin sind kaum mehr als lebende Leichen, die sich die Mäuler mit Kartoffelpuffern und Würsten und den unvermeidlichen Waffeln vollstopfen, während ihre Körper sich aufblähen und schwellen und ihre Herzen sterben. Miriam findet es toll. Sie isst hier, weil es einfach nur ein Nagel mehr in der ollen Kiefernholzkiste ist; sie kann hören, wie ihre Arterien verstopfen, knackig und knusprig werden wie die Haut von Brathähnchen.
    Die Ironie daran, denkt sie, ist, dass man hier drin nicht mehr rauchen darf. Jetzt ist die Waffle-House-Bedienung der einzige zugelassene Sargnagel.
    Miriam steht jetzt draußen. Es tröpfelt. Autos fahren vorbei. Durch eine Dunstglocke sieht sie einen aufgelassenen Circuit-City-Laden für Rennwagen-Merchandise, und neben einem Jo-Ann-Fabrics-Bastelladen auf der andern Seite desHighways befindet sich ein kleines koreanisches Restaurant. In der Ferne sind die gelben Lichter und die dunkle Silhouette der Skyline Charlottes zu sehen, ein ordentlich aufgebauter Lattenzaun aus Wolkenkratzern, ganz und gar nicht die

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