Blackbirds
ertrinken.
Ashley kommt aus dem Bad; mit einer Hand putzt er sich die Zähne, mit der andern zieht er sich ein Paar Boxershorts an.
»Vergewaltiger!«, sagt sie.
»Man kann die Willigen nicht vergewaltigen!«, versetzt er augenzwinkernd.
»Ich weiß. Außerdem hätte ich dir ja den Kiefer brechen können. Ich will nur, dass du dich schlecht fühlst, das ist alles.«
Um die Zahnbürste herum nuschelt er: »Tu ich aber nicht.«
»Auch das weiß ich.«
Zurück im Bad, bürstet er, spuckt aus, putzt weiter.
»Nein bedeutet nein!«, ruft sie ihm hinterher.
»Normalerweise nicht!«, ruft er zurück, ehe er aus dem Bad kommt. Mit dem Handrücken wischt er sich Zahnpastaschaum vom Kinn. »Dann lass mal die Details hören.«
»Die Details?«
»Über den Tod des Truckers.«
»Louis. Er heißt Louis.«
»Jaja. Wie auch immer. Sein Vorname ist ›Ziel‹. Sein Nachname ist ›Person‹. Er hat Geld, so viel weiß ich. Trucker haben immer Geld. Sie kriegen fette Gehaltschecks, haben aber nicht die Zeit oder den richtigen Ort, sie auszugeben – außer sie sind verheiratet. Ist er’s?«
»Seine Frau hat ihn verlassen, sagt er.«
Sie fühlt sich unwohl. Verräterisch. Eine fiese Kollaborateurin.
»Dann hat er Geld. Er bewahrt es wahrscheinlich auch nicht in einer Bank auf, denn den einen Tag sind diese Typen in Toledo, den nächsten in Portland, den dritten in Arschfick, New Mexico – wenn du keine Bank finden kannst, und du willst Geld, dann musst du diese ganzen Gebühren bezahlen. Außerdem, die Hälfte dieser Fernfahrerdeppen läuft auf Amphetaminen, die sie auf Rastplätzen kaufen. Dealer und Zuhälter nehmen keine Kreditkarten. Vertrau mir.«
»Er ist kein Junkie.«
Ashley zuckt die Schultern. »Na, du kennst ihn ja verdammt gut. Also, zurück zur ursprünglichen Frage: Wie gibt er den Löffel ab? Autounfall? Das wär’ scheiße, weil er die Knete wahrscheinlich im Laster aufbewahrt. Es bringt uns nicht weiter, wenn alles verbrennt.«
»Er stirbt in einem Leuchtturm. In –« Sie rechnet es schnell aus. »Zwei Wochen. In vierzehn Tagen.«
»Wie?«
»Das verrate ich nicht.«
»Das ist erbärmlich vierte Klasse von dir.«
»Es ist privat. Es ist sein Tod.«
»Du weißt es aber.«
Sie nimmt einen Zug von ihrer Kippe. »Und ich wünschte, es wäre nicht so.«
»Na schön. Auch egal. Ein Leuchtturm ist zumindest eine malerische Art, abzutreten, also wie schön für ihn. Wir sind in North Carolina, und die Küste hoch gibt es einen ganzen Arschvoll Leuchttürme.« Er fängt an, auf und ab zu gehen. »Okay, hier ist der Plan. Mach dich an ihn ran. Ruf ihn morgen an. Geh mit ihm aus. Uns bleiben zwei Wochen, also müssen wir rausfinden, wo er sein wird, wenn er abkratzt.«
»Das ist dein genialer Plan? Deshalb brauche ich dich?«
Er zuckt die Achsel. »Ich hab nicht gehört, dass du damit angekommen wärst.«
»Und verrat’ mir mal, wieso wir nicht einfach sein Geld nehmen, solange er noch lebt?«
»Weil Leute, die noch leben, es nicht gern sehen, wenn man ihnen ihr Zeug wegnimmt. Leute, die tot sind, rufen seltener die 911 an.«
Sie beobachtet ihn aufmerksam. »Und das Ganze stört dich gar nicht? Du bist nicht eifersüchtig?«
»Ich hab nichts dagegen, grün vor Eifersucht zu sein, wenn ich mir dabei mit ’nem farblich passenden Bündel Hundertdollarscheine Luft zuwedeln kann«, sagt er.
»Und jetzt hauen wir uns aufs Ohr. Ich bin fix und fertig.«
SIEBZEHN
Blut und Ballons
Miriam schreckt aus dem Schlaf hoch. Ein Schatten zieht über ihre Augen hinweg.
Sie setzt sich auf. Ihre Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit. Ashley liegt neben ihr. Er bewegt sich nicht.
Ihre Augen bekommen den Schatten erneut zu sehen – er drückt sich in die Ecke, dann duckt er sich ins Bad; ein wisperndes, raschelndes Geräusch begleitet den unsteten Umriss.
Sie langt über die Bettkante nach unten, ihre Hand huscht in die Kuriertasche und kommt mit dem Butterflymesser wieder heraus, einem Messer, das sie für sechs Dollar auf einem Flohmarkt in Delaware gekauft hat. Lautlos klappt sie die Klinge aus.
Ihre Füße berühren Teppich. Leise Schritte verfolgen den Umriss.
Ihre freie Hand gleitet über die Wand hinter dem Türrahmen zum Bad herum. Finger finden den Lichtschalter.
Klick . Grelles, harsches Licht.
Ihr Herz bleibt stehen.
Ein roter Folienballon schwebt oben in der Ecke des Badezimmers. Er bewegt sich, tanzt auf und ab. Auf dem Ballon ist das Bild einer Torte, und über der Torte, geschrieben
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