Blackbirds
aus dieser nukleargrünen Crème-de-Menthe-Flasche, die sie unter dem Bett aufbewahrte, nahm. Ich klaute sie und ging geradewegs zu BensHaus, und ich machte das dämliche Teenagerding, wo man irgendwelchen Mist ans Fenster der anderen Person wirft, um sie zum Rauskommen zu bewegen – ich warf Zweige, weil ich bei meinem Glück, wenn ich einen Kieselstein geworfen hätte, das Fenster zerbrochen hätte. Sein Haus war eins dieser alten Landbauernhäuser mit dem alten welligen Glas, das so zerbrechlich ist.
Er kam raus. Ich zeigte ihm die Flasche. Wir gingen in den Wald. Dort saßen wir im Dunkeln inmitten der Grillen und amüsierten uns prächtig, indem wir uns Geschichten erzählten und uns über die Leute in der Schule lustig machten, und dann – machten wir es. Die schnelle Nummer, das Tier mit zwei Rücken. An den Baum gelehnt, wie zwei unbeholfene, brünstige Tiere.«
»Romantisch«, sagt Paul.
»Ihr Kinder und euer Sarkasmus. Du machst Witze darüber, aber auf eine schräge Art war es romantisch. Ich meine, wenn man sich an dieses Hallmark-Hirngespinst hält, dass es bei Romantik nur um die Grußkarten und das Dutzend Rosen und das Diamonds are a girl’s best friend geht, nein, das war es nicht. Aber es war eine ... ehrliche Verbindung. Zwei missratene Idioten im Wald, die lachen und fummeln und trinken.« Sie holt ihr Zigarettenpäckchen raus, sieht, dass sie schon alle aufgeraucht hat. Sie zerknüllt es und wirft es über die Schulter fort. »Natürlich ging ich danach noch weiter und kackte auf diese schöne menschliche Verbindung. Wie ich das immer tue.«
»Oh? Wie das?«
»Wir kommen zurück zu seinem Haus, und ich fühle mich high und schwummrig, und ich grinse wie eine Katze, die ’ne Maus getötet hat, und seine Mutter wartet auf ihn. Auf uns. Sie hat einen der örtlichen Polizisten bei sich, dieses kahlköpfige Schwanzgesicht namens Chris Stumpf. Der Typ sieht aus wie ein unbeschnittener Penis. Also. Bens Mutter fängt an,ihrem Sohn die Leviten zu lesen, und mir – mir sagt sie, wenn sie mich jemals wieder sieht, dann wird es mir leidtun, sie wird mich drankriegen, bla, bla, bla.«
Miriam schnippt mit den Fingern.
»Das ist der Moment, wo mir ein Licht aufgeht. Was wir im Wald gemacht hatten – diese irgendwie schöne Sache, die er und ich teilten –, wird auf einmal hässlich. Scham überwältigt mich. Ich bin wie Adam und Eva, denen die eigene Nacktheit bewusst gemacht wird. Meine eigene Mutter war in genau diesem Moment nicht da, aber Bens Mutter leistete ganze Arbeit – ein perfekter Ersatz. Ich konnte die Stimme meiner Mutter hören, klar wie der Abendhimmel, wie sie mich all meiner Würde beraubte, wie sie mich auf die Flammen speienden Pforten der Hölle selbst zustieß. Plötzlich fühlte ich mich, als wäre ich benutzt worden und hätte meinerseits jemanden benutzt, eine wertlose faule Hure, die ihre Jungfräulichkeit an irgendeinen süßen Einfaltspinsel vom andern Ende der Straße verschenkt hat. Und das war das Ende von meiner und Bens flüchtiger dilettantischer Beziehung – tauch sie in Crème de Menthe, steck sie in Brand, und geh nach Hause.«
Paul rutscht unbehaglich hin und her. »Sie haben nie wieder mit ihm gesprochen?«
»Doch, aber nur im Vorübergehen.« Miriam fingert träge an der Schnapsflasche herum und wünscht, sie hätte mehr Kippen. Sie will das hier abkürzen, um welche zu kriegen, aber sie kann nicht. Die Dinge müssen auf eine bestimmte Art getan werden. Punkt- vor Strichrechnung und der ganze Kram.
»Er versuchte, sich mit mir zu unterhalten, aber ich wollte nichts davon wissen. Ich sagte ihm, was wir getan hätten, sei falsch gewesen, aber trotzdem wollte er ein Nein nicht als Antwort akzeptieren. Der dämliche Trottel sagte mir, dass er mich liebe, ist das zu fassen? Das war der Punkt, wo die Schleusentore sich öffneten.«
»Was geschah?«
»Ich ließ etwas vom gemeinsten Scheiß vom Stapel, den man sich vorstellen kann. Ich schleuderte Säure in seine Augen, pisste ihm in die Ohren. Ich nannte ihn einen Schwachsinnigen, einen Spasti, obwohl er nichts davon war; er war nicht mal schwer von Begriff, er war brillant, kam halt bloß ... falsch rüber. Ich sagte ihm, er hätte einen schlaffen Schwanz, könnte nicht ficken, wäre nicht mal imstande, einen Krüppel oder ein Komaopfer flachzulegen. Ich meine, es war, als wäre ich besessen gewesen. Ich weiß nicht mal, ob ich solche Wörter vorher schon mal gehört hatte, aber sie kamen wie
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