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Blackhearts: Roman (German Edition)

Blackhearts: Roman (German Edition)

Titel: Blackhearts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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wärst clever, stimmt’s? Willst du wissen, wie ich sie gefunden habe? Ich ging unter der Dachkammer vorbei und sah etwas an der Schnur zum Herunterziehen der Luke. Einen kleinen Fleck von etwas Rotem, etwas Klebrigem. Marmelade. Erdbeermarmelade. Und ich fragte mich: ›Tja, wer ist es, der jeden Morgen vor der Schule Toast mit Marmelade isst?‹ Ich bin es nicht. Ich mag keine süßen Sachen. Und sonst gibt es nur einen weiteren Menschen im Haus. Deshalb fragte ich mich weiter: ›Was sollte meine kleine Miriam wohl oben in der Dachkammer machen?‹ Und ich fand diese Kiste hier. Unter einem Karton mit alten Kleidern.«
    »Es tut mir leid, Mutter!«
    »Du hast Sachen vor mir versteckt. Du hast die ganze Zeit gelogen, um diesen Unrat vor mir zu verbergen. Das ist nicht Gottes Werk in diesem Karton! So habe ich dich nicht erzogen!« Sie nimmt einen Stapel Popkultur auf, lässt ihn unter Gezeter wieder zurück in den Karton fallen. »Sex und Perversion und Gräuel, das alles!«
    Miriam will aufstehen und ihr sagen, dass keins dieser Sachen sie verletzt, dass nichts davon sie dumm oder fett nennt oder anzweifelt, dass sie in den Himmel kommt. Jedes Lied eines Albums, jede Seite eines Buchs, jedes Panel eines Comics sind Türen, kleine Notausstiege, durch die Miriam den traurigen Schatten ihres Lebens entfliehen kann.
    Sie will noch schlimmere Sachen sagen, gemeine Sachen, spitze Worte, Beleidigungen wie kleine Messer. Fotze,Hure, Schlampe, fick dich, scheiß auf alles – ihr Mund läuft über vor Verdorbenheit, so wie eine Konserve, die sich ausbeult, weil ihr Inhalt verdorben ist. Eine schwache Stimme in ihrem Innern fragt: Was würde Onkel Jack nun sagen?
    Aber dieser Gedanke und all die andern sterben ab wie tote Kletterpflanzen.
    Miriam ist nicht der Typ, der Widerworte gibt. Sie ist ein stilles Mädchen. Eine Maus mit guten Manieren, die davon träumt, eine Ratte zu sein.
    »Ich weiß wirklich nicht mehr weiter!«, sagt ihre Mutter kopfschüttelnd, wobei das Bonbon an ihre Zähne klickt und der süßliche Karamellatem Miriam den Magen umdreht. »Ich weiß nicht, was aus dir werden soll. Ich glaube, nichts Gutes. Ich glaube, du bist ein böses Mädchen, das für böse Dinge bestimmt ist. Ein wertloses Mädchen, das Gottes Schöpfung nichts als Elend und Chaos bringt. Was sagst du dazu?«
    »Ich werde es besser machen. Ich werde mich bessern!«
    »Wir werden heute damit anfangen. Nimm diesen Karton. Bring ihn nach draußen zum Steinkreis! Ich werde dich dort treffen.«
    Und eine Stunde später steht der Karton im Steinkreis, in einem großen alten Übertopf, den ihre Mutter ausrangiert hat, um im Herbst und Winter darin Feuer zu machen – und genau dafür wird er heute Abend genutzt. Ihre Mutter entleert eine Dose Feuerzeugbenzin über ihren Sachen, wirft ein Streichholz hinterher.
    Helles Licht. Eine Hitzewelle. Eine Stichflamme, die schnell zusammenschrumpft.
    Flammen breiten sich aus. Schwarzer Qualm entsteht durch das schmelzende Plastik. Es stinkt. Wörter und Bilderwerden von der Hitze erfasst – verloren und verschwunden, aber nicht vergessen.
    Miriam denkt beiläufig darüber nach, ihre Mutter ins Feuer zu schubsen, so als würde sie eine Hexe in der Küche ihres Pfefferkuchenhauses in ihren eigenen Ofen stoßen.
    Aber sie tut es nicht. Stattdessen weint sie bloß, denn sie fühlt sich so wertlos, wie ihre Mutter gesagt hat. Sie geht ins Haus, um zu Gott zu beten, dass er aus ihr ein besseres Mädchen macht.

VIERZIG

Sünd’ge Polly, sünd’ge Polly
    Der Geschmack von Staub und Schlamm auf ihrer Zunge.
    Druck. Ihr Schädel in einem Schraubstock. Fast kann sie ihn knacken hören, als wäre er ein zugefrorener See unter ihren Füßen.
    Ihr Hören pendelt rasch zwischen schrillen und rauschenden Tönen hin und her: ein hohes Jaulen, das ins Geräusch eines Blutstroms übergeht, der hinter ihren Trommelfellen pulsiert.
    Miriam stützt die Hände unter sich auf und will sich hochstemmen – ein stechender Schmerz beißt in ihre Handgelenke. Sie fällt zurück auf den Boden, legt den Kopf auf die Erde. Sie ist sich nicht mal sicher, wo sie gerade ist.
    Tief atmen .
    Eine Drehung des Kopfes, die Wange auf kalter Erde.
    Wo war sie?
    Sie sieht Steinmauern, daran festgeschraubte Holzregale, alle leer. Oben eine nackte Glühbirne, die an einemzerfaserten Kabel hängt und bestenfalls ein kränkliches Schimmern abgibt, nicht viel mehr.
    Ein Keller. Sie ist in irgendeiner Art Keller. Ist das ein Lehmfußboden

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