Blacklist - Blacklist - Blacklist
zwischen den Säulenkapitellen zu fassen. Der gestresste Muskel in meiner Schulter war nicht begeistert, aber ich zog mich rasch hoch, umklammerte mit den Schenkeln die Säule und tastete den Rand der Kuppel ab, bis ich einen Vorsprung fand. An dem hielt ich mich fest, bis ich schließlich japsend wie ein sterbender Fisch auf dem Dach der Kuppel landete.
Als ich wieder zu Atem gekommen war, huschte ich zur Wand und lehnte mich dagegen. Aus dieser Perspektive konnte ich das Gelände überblicken. Nichts bewegte sich außer den dürren Gräsern und den Hirschen, die zum Teich zurückgekehrt waren. Durch das kahle Geäst der hohen Bäume ringsumher blickte ich zum Nachthimmel auf. Wolkenfetzen drifteten am Mond vorüber, aber die Sterne funkelten und waren zum Greifen nah, wie man sie in der Stadt nie erlebt. Mein Energiehoch verpuffte, und ich nickte fast ein.
Ab mit dir und konzentrier dich aufs Spiel, Warshawski. Ich hörte die tiefe Stimme meiner Basketball-Trainerin aus der Highschool so deutlich, als stünde sie neben mir. Ich rappelte mich auf und inspizierte das Fenster hinter mir. Ich konnte einen Flur in einem der oberen Stockwerke erkennen, aber leider auch die typischen Merkmale einer Alarmanlage. Das hieß: noch eins höher. Zum dritten Stock gab es keine Hilfestellungen mehr: keine Säulen, nur Lücken im Mauerwerk. Ich machte mich ans Hochklettern.
Wände hochzukraxeln habe ich immer für eine selten dämliche Sportart gehalten. Nach einer Lücke tasten, sie auf Sicherheit prüfen, mit zitternden Beinen zehn Zentimeter hochziehen, mit der Wange an rauen Steinen entlangschrammen, sodass die Haut von der Stirn bis zum Kinn aufgeschürft war, als ich einmal ausrutschte - all das trug nicht dazu bei, meine Meinung zu ändern.
Mir war wohl bewusst, dass ich mit meiner dunklen Kleidung an der weißen Wand ein perfektes Ziel abgab. Und dass ich von dem Dach der Kuppel abprallen würde, wenn ich den Halt verlor, und mir… nun ja, etliche Knochen brechen würde. Und dass jeder, der mir dort drinnen auflauerte, durch mein Gekraxel ausreichend vorgewarnt war, um mir eine Ladung Blei zu verpassen. In Form eines Geschosses oder vielleicht auch eines Rohres, um mir eins überzubraten, oder geschmolzen wie bei mittelalterlichen Foltermethoden. Ich schwitzte jetzt hemmungslos, und das nicht nur vor Anstrengung: Lebhafte Fantasie ist nicht nützlich für eine Detektivin.
Die Fenster im dritten Stock hatten schmale Simse, auf denen ich nicht knien, sondern lediglich breitbeinig stehen konnte wie eine ungelenke Ballerina. Ich hielt mich oben am Rahmen fest, rang nach Atem und kühlte mein misshandeltes Gesicht an der Fensterscheibe.
Bevor ich noch mehr Krach machte, indem ich ein Fenster einschlug, drückte ich vorsichtig dagegen, um zu sehen, ob es überhaupt verschlossen war. Es klemmte leicht, ließ sich aber bewegen - Julius Arnoff und die Grundstücksverwaltung hatten sich mit der Sicherung der beiden unteren Stockwerke zufrieden gegeben. Als der Spalt groß genug war, um den Arm durchzustecken, hielt ich mich innen am Rahmen fest und drückte die untere Fensterhälfte auf. Ich musste auf dem schmalen Fensterbrett entlangbalancieren wie die Figur einer ägyptischen Wandbemalung, aber schließlich gelang es mir, das rechte Bein durch den Spalt zu manövrieren, mich mit einem Bein drinnen und einem draußen hinzusetzen und das Fenster weit genug aufzuschieben, um ins Haus zu gelangen.
Ich schaltete die Kopflampe ein. Gelandet war ich in einem der dreizehn Schlafzimmer, die in der Zeitung von 1903 erwähnt wurden. Seit Jahren hatte sich hier niemand mehr aufgehalten. Auf dem Boden lag eine dicke Staubschicht. Spuren von einem Wasserschaden zeichneten sich an der verblassten Tapete ab.
Auf Zehenspitzen bewegte ich mich durchs Zimmer und öffnete die Tür. Dann schlich ich so leise wie möglich den langen Flur entlang, in dem keine Teppiche die Geräusche dämpften. Ich öffnete jede Tür, schaute in Schränke und Badezimmer, ohne Erfolg. Auf halber Höhe des Flurs lag die Treppe. Ich blickte hinunter. Ich befand mich hier am Ende der Haupttreppe. Ein Stockwerk tiefer wurde das Geländer breiter und kunstvoller; im Erdgeschoss würde es vermutlich so prunkvoll sein wie im Anwesen der Bayards.
Auf der anderen Seite der Treppe sah ich Fußspuren. Von Catherine Bayard, vermutete ich. Ich folgte ihnen zu einer Tür am Ende des Flurs. Die riss ich auf und duckte mich dann rasch dahinter, falls jemand losballern würde.
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