Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blacklist - Blacklist - Blacklist

Titel: Blacklist - Blacklist - Blacklist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky , Pößneck GGP Media GmbH
Vom Netzwerk:
Aber der Bleihagel blieb aus. Stattdessen vernahm ich eine junge Stimme, die verängstigt rief: »Catterine, bist du?«

26
Der Schlund der Riesenmuschel
    Ich richtete mich auf. Am oberen Absatz einer schmalen Treppe stand ein Jugendlicher. Er trug Sweatshirt und Jeans und starrte
    mich aus dunklen Augen voller Angst an. Offenbar war er starr vor Schreck und hatte nicht im Mindesten die Absicht, mich zu attackieren.
    Ich rührte mich nicht von der Stelle und sagte langsam und ruhig: »Tut mir Leid, aber Catherine kann heute Nacht nicht kommen; ihre Großmutter lässt sie nicht aus dem Haus.«
    Der Junge antwortete nicht. Er sah jung und hilflos aus, wie ein verängstigtes Rehkitz auf einer Lichtung. Das Geländer umklammerte er so krampfhaft, dass auf seiner dunklen Haut weiße Flecken erschienen.
    »Kannst du mir deinen Namen sagen und warum du in diesem Haus bist?«, fragte ich sanft.
    »Catterine, sie sagen, ich soll hier bleiben«, flüsterte er.
    »Warum versteckt sie dich hier?«
    Er schluckte mehrmals, sagte aber nichts.
    »Ich will dir nichts tun. Aber du kannst nicht länger hier bleiben. Es gibt Leute, die wissen, dass du hier bist.«
    »Wer weiß? Catterine, sie hat versprochen, sie sagt niemandem.«
    »Die Frau, der dieses Haus früher gehört hat, wohnt auf der anderen Straßenseite. Sie hat dein Licht, euer Licht, nachts auf dem Dachboden gesehen. Die Frau hat einen Sohn, der - ein Freund von mir ist.« Der Junge war so verstört, dass ich ihm meinen Beruf lieber nicht sagen wollte. »Ihr Sohn hat mich gebeten herauszufinden, wer sich im früheren Haus seiner Mutter aufhält.«
    »Und was Sie machen? Sie sagen Polizei?«
    »Ich sage der Polizei gar nichts. Nur, wenn du jemanden getötet hast.«
    »Getötet? Ich nicht töten, Sie können nicht sagen, ich töte, ich bin in Haus, ich nicht töte!« Er war so außer sich vor Angst, dass er unwillkürlich die Stimme erhob. Nach dem Geflüster zuckte ich regelrecht zusammen, als er nun beinahe schrie.
    Ich war so erschöpft, dass es mir schwer fiel, mich zu konzentrieren. Außerdem bekam ich einen steifen Hals, weil ich ständig nach oben schaute. »Ich möchte zu dir hochkommen, damit wir uns vernünftig unterhalten können.«
    Als ich die Treppe hochging, wich er zurück, ohne den Blick von mir zu wenden. Die Treppe endete in einem großen Raum mit Oberlichtern. Hier hatte Geraldine Graham das Licht bemerkt. Wenn Catherine zu Besuch kam, saßen die beiden wahrscheinlich da und unterhielten sich beim Schein einer Taschenlampe. Ich schaltete die Kopflampe aus und hoffte, dass Geraldine sie noch nicht erspäht hatte.
    Das Dach war sehr steil, und es gab sonderbare Nischen im Raum, die durch die vier Kamine des Hauses entstanden. Hier hatten sich die Dienstboten aufgehalten, als Geraldine Graham noch ein Kind war. Ich sah ein melancholisches kleines Mädchen mit dunklen Zöpfen vor mir, das die Treppe hinaufschlich, um den Hausmädchen beim Pokern zuzusehen.
    An einer Wand waren alte Möbel abgestellt - ich konnte mehrere Schränke, aufgestapelte Stühle und ein Bettgestell erkennen. Der Junge und Catherine mussten den Schreibtisch hervorgezerrt haben, der direkt unter den Oberlichtern stand. Auf der lederbezogenen Tischplatte lagen mehrere ordentlich aufgestapelte Bücher neben einem Teller, einer Tasse und einem Glas. Ich nahm an, dass der Tisch und die anderen Möbel von den Grahams zurückgelassen wurden - sie wirkten zu alt, um von dem kurzen Intermezzo der »Nou-nous« zu stammen.
    Der Blick des Jungen flackerte zur Treppe; er überlegte, ob er flüchten sollte.
    »Du kannst die Treppe runter zur Tür rausrennen.« Ich bemühte mich, gelassen, sogar freundlich zu wirken: der gute Cop. »Ich werde nicht versuchen, dich aufzuhalten. Aber du wirst ohne Catherine, die sich hier auskennt, nicht weit kommen.«
    Er hockte sich auf die oberste Treppenstufe, den Kopf auf den Knien, die Unterarme an die Ohren gepresst, und sah so erbärmlich aus, dass er mir regelrecht Leid tat. Statt Catherine, seiner einzigen Verbündeten, nach der er sich sehnte, hatte er mich gekriegt.
    Ich ging zu der Wand hinüber, die an der Nordseite des Hauses lag. Die Fenster waren klein und weit oben, aber er hatte sich einen Stuhl herangerückt, um rausschauen zu können. Ich stieg hinauf. Von hier aus konnte man den Garten hinter dem Haus im Auge behalten und beobachten, ob jemand hinter der Garage hervorkam. Man konnte lange einsame Nächte auf diesem Stuhl zubringen und hoffen, dass

Weitere Kostenlose Bücher