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Blacklist - Blacklist - Blacklist

Titel: Blacklist - Blacklist - Blacklist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky , Pößneck GGP Media GmbH
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finden.«
    Ich kroch langsam voran und tastete die Böschung ab in der Hoffnung, dass ich irgendwo ins Leere greifen würde. Als ich noch etwa fünfzehn Meter von dem Streifenwagen entfernt war, berührte mich Benji scheu an der Schulter. Er hatte den Eingang gefunden.
    Ich kroch hinter ihm her. Die Öffnung war ein schwarzes Loch im Straßengraben, das nicht hoch genug war, um aufrecht zu gehen, doch wir konnten nebeneinander bleiben. Es roch modrig und nach Tierkot und war so finster wie der Schlund des Todes. Wir konnten es uns nicht erlauben, Licht zu machen. Ich packte Benjis Hand mit meiner rechten. Er zog sie nicht weg, sondern klammerte sich eher zitternd an mich, als wir durch den Schlamm patschten.
    Der Tunnel, der sich unter der Hecke und der Powell Road durchzog und in Anodyne Park endete, hätte eigentlich nicht länger als vierzig Meter sein dürfen, schien aber kein Ende zu nehmen. Wenn wir nun gar nicht unter der Powell Road waren, sondern in den Deep Tunnel schlurften? Dann konnten wir stundenlang laufen und würden irgendwann zusammenbrechen und vor Hunger und Durst sterben. Jahrelang würde keiner unsere Überreste finden, falls überhaupt jemand danach suchte. Morrell, Lotty, alle, die ich liebte und denen ich etwas bedeutete, würden mich vergessen. Sie waren jetzt schon so weit weg, als gäbe es sie gar nicht.
    Meine Nase und mein Mund waren wie ausgetrocknet. Mein Rücken schmerzte vom gebückten Gehen, rote Blitze zuckten vor meinen Augen. Und dann witterten wir plötzlich frische Luft, rochen Wacholderbeeren, hangelten uns einen Abhang hinauf und konnten uns auf asphaltiertem Boden gerade aufrichten.
    Ich schauderte vor Erleichterung. Zitternd blieben wir ein paar Minuten stehen, dehnten unsere Muskeln, horchten auf etwaige Verfolger. Es herrschte gottvolle Stille. Anodyne, die Heilung. Jetzt brauchten wir nur noch ein Auto, dann hatten wir's geschafft.
    Ich ging mit Benji den gewundenen Weg zu den frei stehenden Gebäuden entlang, hinter denen Autos auf den Zufahrten geparkt waren. Hier, an dieser Stätte des Reichtums, rechnete ich nicht damit, auf ein altes Auto zu stoßen, bei dem ich die Lenksäule brechen und die Zündstange rausziehen konnte. Doch beim fünften Haus war das Glück uns hold: Jemand hatte in einem Jaguar XK-12 den Zündschlüssel stecken lassen. So einen hatte ich immer schon mal fahren wollen. Ich öffnete Benji den Wagenschlag.
    »Du stehlen dieses Auto?«
    »Borgen«, sagte ich grinsend. »Der Besitzer kriegt es morgen wieder.«

29
Zurück ins Dornengestrüpp
    »Sind Sie es, Mädchen? Sie haben sich ja lange nicht mehr blicken lassen. Wollen Sie mir bei der Frühmesse dienen?« Pater Lou stand, nur mit T-Shirt und Hose bekleidet, in der Tür zum Pfarrhaus, das Gesicht noch rot vom Rasieren.
    Als ich auf der Ogden Avenue zurück in die Stadt fuhr, hatte ich mir überlegt, dass ich mit der kleinen Gemeinde aus dem Viertel, die sich zum Sechs-Uhr-Gottesdienst einfand, in die Kirche huschen könnte, falls wir es nicht zum Pfarrhaus schafften, bevor Pater Lou das Messgewand anlegte. Doch trotz der weiten Strecke war es erst halb sechs, als ich den Wagen in einer Straße hinter der Kirche parkte.
    Benjamin war eingeschlafen, noch bevor wir zur Warrenville Road kamen. Ich ließ das Fenster offen, damit mich die kalte Luft am heiß ersehnten Wegdösen hinderte, schaltete aber die Heizung an, damit der Junge es warm hatte. Sein Buch glitt ihm aus der Hand, als er einschlief; an einer Ampel hob ich es auf und legte es ihm in den Schoß, damit er nicht beim Aufwachen erschrak.
    In dem Straßengraben hatte er es fallen lassen und mir dann erklärt - so trotzig und atemlos, als erwarte er, dass ich ihn daraufhin schlagen oder alleine lassen würde -, dass es der Koran war, der früher seinem Vater gehört hatte und dass er ihn auf keinen Fall verlieren durfte.
    »Dann müssen wir gut darauf aufpassen«, war mein einziger Kommentar gewesen.
    Nachdem ich uns beide in den Jaguar gehievt und angeschnallt hatte, gewann der Schlaf die Oberhand. Ein paar Minuten später schreckte ich auf, weil ein Hubschrauber in Richtung Osten über uns hinwegdonnerte. Ich blickte ihm blinzelnd nach und hoffte, dass er ein junges Mädchen ins Krankenhaus und nicht in die Leichenhalle verfrachtete.
    Ich startete den Wagen und fuhr langsam an dem Wachmann am Eingang vorbei. Er nickte mir aus seinem Unterstand heraus zu; seine Aufgabe bestand darin, unerwünschte Besucher von außen fern zu halten. Wer

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