Blacklist - Blacklist - Blacklist
warum sollte Taverner ein Bedürfnis nach Rache gehabt haben? Bayard war doch der Geschädigte. Und was hatte das alles mit Marcus Whitby zu tun - abgesehen von seinem Interesse für Kylie Ballantine?
Der Kran ließ seine Last fallen. Der Verkehrslärm auf der Brücke war so laut, dass ich das Krachen nicht hörte, aber da die Show vorbei war, setzte ich mich wieder in Bewegung. An der Ecke Damen Avenue bettelte ein Betrunkener. Ich gab ihm den Quarter, der mir an der Wells Street vermacht geworden war. Er blickte nicht besonders dankbar - heutzutage ist ein Quarter ein jämmerliches Almosen.
Tessas Laster stand auf dem Parkplatz. Als ich an der Tür zu ihrem Studio vorbeikam, blieb ich stehen und warf einen Blick hinein. Sie arbeitete zurzeit am Wochenende, um eine Auftragsarbeit für einen Park in Cincinnati fertig zu machen, schimmernde Chromstücke, die man am liebsten sofort anfassen und zum Schlittern benutzen wollte. Obwohl es kalt war draußen, hatte Tessa die Heizung ausgestellt und arbeitete mit Trägerhemd und Shorts unter ihrem Schutzkittel. Ihre Perlenzöpfchen hatte sie unter einem Schutzhelm verstaut.
Ich weiß inzwischen, dass ich sie nicht stören darf, wenn sie mit ihrer Lötlampe zugange ist, aber als sie mich in der Tür stehen sah, schaltete sie das Gerät aus und kam auf mich zu, wobei sie den Helm absetzte und die Schutzbrille in die Stirn schob. »Bist du immer noch so 'ne Bazillenschleuder? Wie weit muss ich Abstand halten?«
»Lass einfach die Lötlampe an und halt sie dir unter die Nase; die macht jedem Bazillus den Garaus.«
Sie lachte und trat zu mir. »Wie viele Leute haben zur Zeit einen Büroschlüssel von dir, Warshawski?«
»Nur eine - eine junge Ökonomin, die ein paar Arbeiten für mich erledigt.«
»Gestern und heute Morgen waren ein paar Typen da, denen dein Türschloss keinerlei Mühe zu bereiten schien. Was ist los?«
So viel zu dem Vorhaben, sich durch nichts und niemanden nervös machen zu lassen. »Die glauben, dass ich einen arabischen Terroristen verstecke.«
»Wenn dem so ist, dann halte ihn versteckt, bis diese Typen wieder abziehen - das ist eine ganz üble Truppe. Wenn ich ›Spielende Kinder‹ nicht diese Woche fertig haben müsste, würde ich auch eine Weile abtauchen - die machen mich nervös. Was sind das - FBI-Agenten? Weißt du, die Familie meiner Mutter kam aus Cameron in Mississippi. Meine Großeltern mussten mitten in der Nacht ihr Haus verlassen, weil der Sheriff mit einer Horde da ankam und es niederbrennen wollte, damit auf dem Grundstück irgendwelche weißen Großkotze was bauen konnten. Ich steh nicht drauf, wenn Bürger hilflos zuschauen müssen, während die Staatsgewalt ihnen ihr Zuhause wegnimmt.«
»Ich auch nicht, aber ich weiß im Moment nicht, was ich dagegen tun kann. Sie wedeln überall mit dem verfluchten Patriot Act herum.«
»Dreckskerle!« Sie ging mit mir zu einem verglasten Kabuff in einer Ecke des Studios, setzte sich an ein Zeichenbrett und machte rasch ein paar Skizzen mit Kohle. Im Handumdrehen hatte sie vier Figuren gezeichnet, je zwei auf zwei unterschiedlichen Zeitungsblättern. Es waren zweimal die gleichen; auf dem einen Bild trugen sie Handwerkeroveralls, auf dem anderen Anzüge. Einer von ihnen war der Typ, der gestern Abend meine Wohnung durchsucht hatte.
»Der eine ist ein Bundesmarshal, der andere wahrscheinlich auch.« Ich nahm ihr die Zeichnungen aus der Hand.
»Versuch diese Typen nicht so zur Raserei zu treiben, dass sie uns die Bude abfackeln: Hier stehen Geräte im Wert von zweihunderttausend Dollar, die ich nicht ersetzen möchte. Die Versicherung hat meinem Opa damals keinen einzigen Dime bezahlt für sein Haus.« Sie stapfte zurück zu ihrer Lötlampe.
Ich wanderte langsam durch die Halle und schloss mein Büro auf. Warum legte ich mir überhaupt Sicherheitsschlösser zu, wenn die FBI-Leute oder sonst wer sie einfach mit raffiniertem Werkzeug knacken und sich in aller Ruhe in meinen Räumen umsehen konnte?
Wenigstens hatten sie das Büro nicht verwüstet, wie es mir vor etwa einem Jahr passiert ist, als ein bösartiger Stadtcop mir die Hölle auf Erden bereitete.
Ich warf den Computer an und checkte meine Post. An Morrell schrieb ich einen langen E-Brief, in dem ich ihm haarklein berichtete, was ich seit Freitagmorgen erlebt hatte, auch von dem Quarter, den ich bekommen hatte, als ich sehnsüchtig die Hand nach ihm ausstreckte Ich wollte mit jemandem über Benjamin reden und erzählen können, wie
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