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Blacklist - Blacklist - Blacklist

Titel: Blacklist - Blacklist - Blacklist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky , Pößneck GGP Media GmbH
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gemacht. Seine Schrift war zittrig; er musste das gegen Ende seines Lebens geschrieben haben, als er häufig betrunken oder krank oder beides zugleich war.
    Man möchte uns in dem Glauben wissen, dass Freunde und Schwestern des Lazarus außer sich vor Freude waren, als er von den Toten auferstand. Doch als man ihn begrub, barg der Kummer auch heimliche Gedanken: Dem Herrn sei Dank, dass wir ihn unter die Erde gebracht haben, den scheußlichen Trunkenbold, der seine Hände nicht bei sich behalten konnte. Dem Herrn sei Dank kann er nun keinem mehr über diese Nacht in Jericho berichten, als er mich mit der Magd meiner Mutter hinter der Schafherde ertappte. Was ein Glück, dass wir uns nicht mehr abhetzen müssen, wenn er spät heimkommt von der Schenke oder einer Rauferei und sofort ein warmes Essen verlangt.
    Und dann erstand er von den Toten und sah in den Gesichtern seiner Lieben nicht nur Freude, sondern auch den Gedanken: Wir hatten uns gerade auf unser neues Leben eingerichtet, ohne seine herrischen Worte und Forderungen, und nun ist er wieder zum Leben erwacht.
    Ich weiß. Ich war tot, und nun, da ich mich aus dem Grab erhoben und, in mein Leichentuch verheddert, in eine Ecke des Kellers verzogen habe, wittere ich den Gestank der Furcht, den meine Lieben verströmen. Wenngleich es auch der Gestank meines eigenen verrottenden Fleisches sein mag.
    Gene, der sich am meisten fürchtet, weinte, wie zu erwarten war, am lautesten an meinem Grab. Der Kleine, das Schätzchen, er folgte mir wie ein Hündchen, als er noch fünf Jahre alt war, lass mich spielen, Herman, zeig mir das, Herman, und er folgte mir vom Ballspielen in die Tavernen (das war ausgestrichen, und am Rand stand: »Bars«) und zu den Mädchen. Ich hätte es in seinem Blick sehen müssen, aber damals war er noch mein eifriger, verklärter Bruder, den ich neckte und dann und wann ein wenig hätschelte.
    Ich war der Held, der aus dem Krieg zurückgekehrt war, an einigen Orten jedenfalls als Held betrachtet, der den Arm in einer interessanten Schlinge trug und dessen Augen getrübt waren vom Blut, von so viel Blut, das ich nicht trinken konnte. Ein Held war ich für den verklärten Bruder, der in jenen Jahren reich geworden war. Während ich kämpfte, trat er das Erbe im Unternehmen seiner Eltern an.
    Gene musste nicht den George Bailey geben, beileibe nicht. Nein, Gene hatte ein feines Leben. Der große Bruder setzt am Ebro sein Leben aufs Spiel, der kleine Bruder scheffelt das Zeug eimerweise und verwandelt einen verstaubten Familienbetrieb in ein einflussreiches Unternehmen. Als ich zurückkehrte, versammelten sich die Mädchen zwar um mich, um meine Kriegsgeschichten zu hören, doch dann schlüpften sie mit Gene durch die Seitentür. Er hatte damals diese Wohnung an der Elm Street gemietet, ein idealer Schlupfwinkel für Mädchen; Mutter bekam sie nicht zu Gesicht, und er konnte am Sonntag zum Kirchgang heimkehren und sich besorgt über sie beugen, das Haar glatt zurückgekämmt, als könne er kein Wässerchen trüben.
    Wir waren oft im Goldie's, einer dieser Bars im West Loop. Männer auf dem Heimweg von der Arbeit tranken dort rasch ein Glas und hörten sich die Sportergebnisse an. Wir gingen nach den Sitzungen dorthin, und Toffee Noble war ganz aufgekratzt wegen seines Kellermagazins. Manchmal brachte er Lulu mit, die riesige Bilder von afrikanischen Stammestänzen malte. Er wurde auch mit Edna Deerpath gesehen, dem winzigen schwarzen Wirbelwind, die sich für die Wäschereiarbeiter stark machte in ihrem Kampf gegen die Mafia.
    Toffee engagierte sich nie für etwas, betrachtete nur überheblich lächelnd das Geschehen, Mr. Cool, und dann fuhr er nach Hause und verarbeitete uns alle in Storys, die er mit seiner Handpresse im Keller druckte und verbreitete. Wir haben nie erfahren, ob er im Besitz von so einem Stückchen Karton war, dem Ausweis zu den Insidern, oder nicht. Manche meinten, er sei zu feige, um sich ihnen anzuschließen, andere meinten, er sei zu feige, um es zuzugeben.
    Damals waren wir alle Brüder, Brüder und Schwestern, sogar Gene, mein Blutsbruder, obwohl alle wussten, dass er nur dorthin kam, um sich Mädchen anzulachen. Wir neckten ihn immer: Meinst du, du bist der anständige Kapitalist? Den sie nicht an den Laternenpfahl hängen, weil er es gern mit roten Mädchen treibt?
    Ich galt als der alte weise Mann, da ich fünf oder sechs Jahre älter war als alle anderen mit Ausnahme von Lulu, und der Einzige, auf den geschossen wurde,

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