Blacklist - Blacklist - Blacklist
schafften es nach nur zwei Jahren wieder ab.«
»Und war es so?«, erkundigte ich mich neugierig.
Sie beugte sich vor; der braun karierte Stoff ihrer Kostümjacke spannte an ihren molligen Armen. »Sehen Sie, damals kam Vom Winde verweht heraus, und alle - jedenfalls viele weiße Amerikaner - schenkten Margaret Mitchells Darstellung Glauben, dass wir alle zufriedene kleine Negerkinder waren, bis die bösen Yankees kamen und die Sklaverei beendeten. Es waren auf jeden Fall ein paar Sympathisanten bei dem Projekt dabei, aber überwiegend waren es Leute, die so die Gelegenheit fanden, ernst zu nehmendes Theater auf die Bühne zu bringen statt in Minstrel-Shows oder als Negermammis und Handlanger auftreten zu müssen.«
»Was interessierte Mr. Whitby an dem Thema? Die ideologischen Auseinandersetzungen?«
Sie schüttelte so nachdrücklich den Kopf, dass ihre Löckchen flogen. »Nein. Manche Leute vertreten den Standpunkt, das NTP - das Negro Theater Project - habe nur dem weißen Bürgertum die Möglichkeit verschafft, schwarze Künstler auszubeuten, aber der ideologische Gesichtspunkt interessierte Marc gar nicht. Er wollte die Entwicklung des Chicago Writers Workshop verfolgen, dem viele dieser Künstler angehörten, und ihren Lebensweg darstellen. Vor allem faszinierte ihn Kylie Ballantine. Sie war eine komplexe Persönlichkeit, tanzte selbst, choreografierte, aber sie war auch Anthropologin und hatte Bücher über afrikanischen Tanz und Rituale in Afrika geschrieben. Sie hatte ein Studio in ihrem Haus in Bronzeville. Marc wollte ihr Haus kaufen, er will ein Museum daraus machen - wollte«, verbesserte sie sich traurig, »aber der neue Besitzer hat es in kleine Wohnungen aufgeteilt und weigert sich, das Haus zu verkaufen. Deshalb kaufte sich Marc ein Haus in der Nähe und startete eine Kampagne, damit Kylies Haus unter Denkmalschutz gestellt wird. Vielleicht setze ich sie fort.«
Sie gab einen unterdrückten Schluchzer von sich und beschäftigte sich eingehend mit ihrem Notizbuch. Ich wartete, bis sie die Fassung wiedergewonnen hatte, dann fragte ich, ob sie wisse, wie weit Marcs Reportage über Kylie Ballantine fortgeschritten war.
»Das Problem war eher, wie viel er rausstreichen musste. Er hatte so viel Material über Kylie, dass er ein Buch daraus machen wollte. Der Text für T-Square war fast fertig. Er hatte immer wieder Reportagen über Bronzeville gemacht. Sie kennen Bronzeville, oder?«
Ich verzog entschuldigend das Gesicht. »Nicht gut. Es war der Streifen an der Cottage Grove Avenue, wo Afroamerikaner wohnen mussten, als sie nach dem Ersten Weltkrieg in großen Gruppen nach Chicago kamen, glaube ich.«
»Das stimmt so nicht ganz«, sagte Aretha mit einem nachsichtigen Lächeln, das mich dankbar sein ließ, dass ich von ihr und nicht von Delaney oder Simon Hendricks Nachhilfe bekam. »Sie haben Recht, wir wurden auf diesen schmalen Streifen Land an der Cottage in der South Side verbannt. Aber Bronzeville - oh, in gewisser Weise war es ein Lebensgefühl -, es gab da die wunderbaren Villen am King Drive, wissen Sie, ein Stück weiter westlich von der Cottage, wo zum Beispiel Ida B. Wells lebte und Richard Wright, wenn er sich in der Stadt aufhielt, und Daniel Hale, der hatte eine Klinik da, weil er in keinem weißen Krankenhaus arbeiten durfte, obwohl er die erste Operation am offenen Herzen ausführte. Aber weil in den Läden in der Innenstadt Rassentrennung herrschte, gab es auch ein Einkaufsviertel an der Thirty-fifth Street. Keiner vermisst die Rassentrennung, aber es ist wirklich jammerschade, dass es all die kleinen Läden und Betriebe nicht mehr gibt.«
Wir schwiegen beide ein Weilchen, trauerten um den Verlust der kleinen Läden oder vielleicht auch um den Verlust von Marcus Whitby.
Aretha schüttelte wieder ihre Löckchen. »Jedenfalls war Marc fasziniert von Bronzeville. Er kam aus Atlanta und hatte ganz andere Dinge erlebt - die in mancher Hinsicht besser, in mancher auch schlechter, aber auf jeden Fall anders waren -, und er sah es als seine Mission an, Bronzeville zu dokumentieren und zu erhalten. Dann verliebte er sich in Kylie.«
»Sie kann doch nicht mehr am Leben sein, oder?«, fragte ich verblüfft.
»Nein, nein. Sie ist 1979 gestorben. Aber Sie wissen doch, dass man auch von Toten so fasziniert sein kann, dass sie für einen zum Leben erstehen. Ich habe Marc immer damit aufgezogen, dass ich nie…« Sie brach unvermittelt in Tränen aus.
Ich zog ein paar saubere Taschentücher
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